Dr. med. Dirk Manski

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Kryptorchismus: Diagnose und Therapie


Zusammenfassende Literatur Kryptorchismus: (Hutson und Hasthorpe, 2005) (Kolon u.a., 2004). Leitlinie der EAU: EAU Guidelines Paediatric Urology.

Klinik des Kryptorchismus

Fehlender Hoden or inkompletter Hodendeszensus, ein offener Proc. vaginalis kann zu einer Hydrozele testis oder zum Leistenbruch führen.

Diagnose des Kryptorchismus

Palpation:

in entspannter Rückenlage und im Sitzen (Säuglinge) oder Stehen (Kinder). 80 % der pathologischen Fälle sind tastbar. Bei nicht tastbaren Hoden sind 20 % fehlend, 30 % atrophe Leistenhoden und 50 % abdominelle Hoden.

Bildgebung:

Die Sonographie mit einem hochauflösenden Linearschallkopf ist geeignet für die Ortung des Hodens im Leistenkanal. Für ein MRT-Abdomen ist bei Kleinkindern eine Narkose notwendig, diese Untersuchung ist nur bei speziellen Fragestellungen (begleitende Fehlbildungen?) notwendig.

Labor:

Untersuchungen sind vor allem bei bilateral fehlenden Hoden indiziert.

FSH:

Vor der Pubertät weist ein erhöhtes FSH im Serum auf beidseits fehlende Hoden hin.

HCG-Stimulationstest:

Ein HCG-Stimulationstest ist bei beidseits nicht palpablen Hoden indiziert: Blutbestimmungen von Testosteron (basal und 32 h nach Applikation von 5000 IE HCG). Ein Anstieg von Testosteron beweist das Vorhandenseins eines dystopen Hodens.

Inhibin:

ein testikuläres Peptid, kann die Hodenschädigung vorhersagen. Keine Routineuntersuchung.

Genetische Diagnostik und Beratung:

Wenn der Kryptorchismus mit anderen Fehlbildungen oder Entwicklungsanomalien assoziiert ist, sollte nach einer ausführlichen Familienanamnese mit Stammbaum ggf. eine genetische Diagnostik und Beratung angeboten werden.

Diagnostische Laparoskopie:

Die diagnostische Laparoskopie ist bei V.a. Bauchhoden indiziert (siehe Therapie).

Therapie des Kryptorchismus

Nach aktuellen Leitlinien soll bis zum sechsten Lebensmonat ein spontaner Hodendeszensus abgewartet werden. Bei persistierendem Kryptorchismus soll die chirurgische Therapie innerhalb der nächsten sechs Monaten (EAU Leitlinie) bis 12 Monaten (AUA Leitlinie) durchgeführt werden. Die Standardtherapie für die überwiegende Anzahl aller Fälle ist die frühzeitige Orchidopexie, sie ist sicher und effektiv. Für die Hormontherapie zur Einleitung eines Deszensus testis gibt es nur unzureichende Evidenz, sie ist eine Option in Ausnahmefällen.

Ziele der Therapie:



Operative Therapie des Kryptorchismus:

Ziel der operativen Therapie ist die spannungsfreie Verlagerung des Hodens in den tiefsten Punkt der Skrotaltasche.

Orchidofunikulolyse und Orchidopexie:

Operative Therapie des Hodenhochstands mit tastbarer Lokalisation, siehe auch Technik und Komplikationen der Orchidopexie:

Laparoskopie:

Vor der Laparoskopie wird die Untersuchung des Leistenkanals in Narkose wiederholt. Bei tastbarem Hoden kann die inguinale Orchidopexie durchgeführt werden. Die Laparoskopie ist bei einseitig nicht-tastbarem Hoden oder bei beidseitig fehlenden Hoden und positiven HCG-Stimulationstest (siehe Labor) indiziert. Wenn Vasa testiculares und Ductus deferens in den inneren Leistenkanal ziehen, so ist ein Bauchhoden ausgeschlossen und die inguinale Lokalisation wahrscheinlich. Im Anschluss an die Laparoskopie wird der Hoden inguinal freigelegt. Werden blind endende Vasa testiculares identifiziert, so wird das Ende entfernt und die Operation beendet. Werden keine Testikulargefäße im Becken identifiziert, so muss der Deszensusweg nach kranial bis zum unteren Nierenpol abgesucht werden.

Zweizeitige Operationsverfahren:

Zweizeitige OP-Verfahren sind bei Bauchhoden mit zu geringer Mobilität der Hodengefäße notwendig. Zunächst wird der Hoden retroperitoneal (laparoskopisch) mobilisiert und die Vasa testiculares möglichst kranial durchtrennt (Fowler-Stephens-Manöver). Der Hoden wird an den inneren Leistenring verlagert.
Im zweiten Schritt (nach 4–12 Wochen Therapie mit GnRH-Nasenspray) wird nach inguinaler Freilegung die skrotale Pexie in einer subkutanen Dartostasche durchgeführt. Das Risiko der postoperativen Hodenatrophie beträgt bei zweizeitigem Vorgehen etwa 8%.

Mikrochirurgische Hodenautotransplantation:

Die Hodenautotransplantation ist eine Therapieoption bei Bauchhoden mit zu geringer Mobilität der Hodengefäße. Der Hoden wird nach laparoskopischer Identifikation und Entnahme mit den Vasa epigastricae inf. anastomosiert.

Laparoskopische Orchiektomie:

bei hypoplastischen Bauchhoden.

Inguinale Orchiektomie:

bei postpubertalen Patienten mit unilateralen Kryptorchismus, v.a. bei hypoplastischem Hoden oder Verdacht auf Hodentumor.

Hormontherapie:

Die Hormontherapie führt zur Stimulation von Testosteron und unterstützt den spontanen Deszensus. Die Ergebnisse der Hormontherapie in randomisierten Studien sind enttäuschend (<20% Deszensus). Studien mit GnRH konnten eine Verbesserung des Fertilitätsindex durch die Hormontherapie nachweisen. HCG steht im Verdacht, die Fertilität zu verschlechtern. In 25% ist wieder eine Aszension des Hodens möglich. Von einer Hormontherapie zum Erreichen des Hodendeszensus wird in den EAU-Leitlinien abgeraten. Die Hormontherapie ist jedoch eine Option bei bilateralen Kryptorchismus, um die Fruchtbarkeit zu verbessern (EAU Guidelines Paediatric Urology).

GnRH Nasenspray:

3× 400 μg/d über einen Zeitraum über 4 Wochen.

Nebenwirkungen:

vermehrte Skrotumpigmentierung und Fältelung. Selten Penisvergrößerung und pubische Schambehaarung (reversibel), Gewichtszunahme.

Prognose des Kryptorchismus

Spontaner Deszensus:

70–80 % der zum Zeitpunkt der Geburt nicht deszendierten Hoden zeigen einen spontanen Deszensus, meist innerhalb von 3 Monaten. Hohe spontane Deszensusrate bei niedrigem Geburtsgewicht, bilateralen Kryptorchismus, bei normaler skrotaler Anatomie und bei bereits niedrig stehenden Hoden.

Fertilität nach Orchidopexie:

87 % der unbehandelten Männer mit unilateralem Hodenhochstand haben Kinder, aber nur 33 % bei bilateralem Kryptorchismus. Ob die (rechtzeitige) Operation die Fertilität verbessert, ist umstritten (s. o.).






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Literatur Kryptorchismus

Hutson und Hasthorpe 2005 HUTSON, J. M. ; HASTHORPE, S.: Testicular descent and cryptorchidism: the state of the art in 2004.
In: J Pediatr Surg
40 (2005), Nr. 2, S. 297–302

Kolon u.a. 2004 KOLON, T. F. ; PATEL, R. P. ; HUFF, D. S.: Cryptorchidism: diagnosis, treatment, and long-term prognosis.
In: Urol Clin North Am
31 (2004), Nr. 3, S. 469–80, viii-ix

Prentiss, R. J.; WEICKGENANT, C. J.; MOSES, J. J. & FRAZIER, D. B. Undescended testis: surgical anatomy of spermatic vessels, spermatic surgical triangles and lateral spermatic ligament.
The Journal of urology, 1960, 83, 686-692.

M. Ritzen, A. Bergh, R. Bjerknes, P. Christiansen, D. Cortes, S. E. Haugen, N. Jörgensen, C. Kollin, S. Lindahl, G. Läckgren, K. M. Main, A. Nordenskjöld, E. R.-D. Meyts, O. Söder, S. Taskinen, A. Thorsson, J. Thorup, J. Toppari, und H. Virtanen. Nordic consensus on treatment of undescended testes.
Acta Paediatr, 96 (5): 638–643, May 2007.

A. V. Thorsson, P. Christiansen, und M. Ritzen. Efficacy and safety of hormonal treatment of cryptorchidism: current state of the art.
Acta Paediatr, 96 (5): 628–630, May 2007.




 

  English Version: Hormonal treatment or surgery for cryptorchidism (undescended testis)