Dr. med. Dirk Manski

 Sie sind hier: Startseite > Nieren > Nephrolithiasis > Nierenkolik

Klinik und Diagnose der Nierenkolik


Symptome

Schmerzen:

Die Nierenkolik ist ein typischerweise plötzlich eintretender Flankenschmerzen, kontinuierlich oder wechselnd in der Intensität, die Schmerzausstrahlung hängt von der Steinlokalisation ab.

Steinlokalisation im Nierenbecken:

kolikartiger (durch Dehnung des Nierenbeckens) oder konstanter (durch Dehnung der Nierenkapsel bei Obstruktion) Flankenschmerz.

Steinlokalisation im Ureter:

kolikartiger oder konstanter Flankenschmerz mit Ausstrahlung in den Unterbauch.

Steinlokalisation vor der Blase:

kolikartiger oder konstanter Schmerz in der Flanke, mit Ausstrahlung in den Unterbauch, Hodensack oder große Schamlippe mit Hyperästhesie. Weiterhin Pollakisurie durch eine Blasenirritation aufgrund des prävesikalen Steins.

Komplikationen der Nephrolithiasis (Nierensteine):

Der behinderte Harnabfluss verursacht Harnstau, es besteht die Gefahr der infizierten Hydronephrose mit Urosepsis. Plötzlicher Harnstau kann zu einer Fornixruptur führen, dabei kommt es zu einem Urinaustritt (Urinom) durch Einriss des Nierenkelchs am Übergang zum Nierenparenchym. Die Verlegung eines Kelchhalses durch einen Nierenstein kann bei Infektion zu einem Nierenabszess führen. Dauerhafter Harnstau führt zu einem Funktionsverlust der Niere und je nach Funktion der Gegenseite zu einer Niereninsuffizienz.

Schmerztherapie der akuten Nierenkolik

Sofort 1–2 g Metamizol als Kurzinfusion gegen Schmerzen ohne weitere Diagnostik. Tageshöchstdosis von Metamizol 6 g (70 mg/kgKG) [siehe Kapitel Medikamente/Metamizol]. Als Alternative zu Metamizol können andere NSAR (z.B. Diclofenac) gegeben werden. Bei nicht suffizienter Analgesie werden zusätzlich Opiate verabreicht (z. B. Piritramid 5–10 mg langsam i. v.). Medikamentös unstillbare Koliken sind eine Indikation zur Harnleiterschienung.

Diagnostik

Diagnostik bei Nierenkoliken

Urinsediment:

(Mikro- oder Makro-)Hämaturie, Kristallurie im Urinsediment.

Sonographie:

In der Sonographie sind Harnsteine mit einem echogenen Reflex mit dorsalem Schallschatten zu erkennen [Abb. Sonographie Nierenkelchstein und Sonographie Nierenbeckenstein]. Mit Hilfe der Sonographie können Steine in der Niere und im proximalen Harnleiter diagnostiziert werden. Bei ausreichender Harnblasenfüllung können prävesikale Harnsteine detektiert werden [Abb. Sonographie prävesikaler Ureterstein]. Ein indirekter Hinweis für Ureterolithiasis ist der Nachweis von Harnstau.


Sonographie eines unteren Kelchsteins in zwei Ebenen mit echogenem Reflex und dorsalem Schallschatten.
Sonographie Nierenstein Ultraschall
Sonographie Nierenbeckenstein Schallauslöschung Ultraschall
Sonographie eines Nierenbeckensteins mit echogenem Reflex und dorsalem Schallschatten. Die unteren Kelchgruppen sind etwas gestaut. Mit freundlicher Genehmigung, Dr. H. Kempter, Augsburg.
Sonographie der Harnblase mit einem prävesikalem Harnleiterstein links (Pfeil).
Sonographie prävesikaler Harnleiterstein

Doppler-Sonographie:

Mit Hilfe der farbkodierten Duplex-Sonographie kann der Urinjet aus dem Ostium intravesikal detektiert werden. Ein fehlender Nachweis ist ein indirekter Hinweis für einen okkludierenden Harnleiterstein. Die einseitige Erhöhung des Resistance-Index (RI) ist ebenfalls ein indirekter Hinweis für eine akute Obstruktion. Die Duplex-Sonographie hilft auch bei der Identifikation von Nierenkelchsteinen: der twinkling Artefakt führt zu einem schnell wechselnden Farbdopplersignal hinter dem echogenen Reflex [Abb. twinkling Artefakt].


Abbildung twinkling Artefakt bei Nephrolithiasis
Identifikation von Nierenkelchsteinen mit Hilfe des twinkling Artefakts: schnell wechselndes Farbdopplersignal im Bereich des Kelchsteins.

Twinkling Artefakt durch einen prävesikalen Harnleiterstein. Mit freundlicher Genehmigung, Dr. N. Dreger, Wuppertal.
Sonographie prävesikaler Harnleiterstein mit twinkling artefakt

CT-Abdomen nativ (low-dose)

Die CT-Untersuchung verdrängt zunehmend das Urogramm in der Diagnostik der Nierenkolik [Abb. 2.17]. Neben der zuverlässigen Erfassung von Nephrolithiasis und Harnstau können viele differentialdiagnostisch wichtige Erkrankungen wie Cholelithiasis, Ulkusperforation, Ileus, Divertikulitis u. v. m. erfasst werden. Nachteilig ist die fehlende Darstellung der Anatomie der ableitenden Harnwege. Die Strahlendosis kann bei der Fragestellung nach Nephrolithiasis deutlich reduziert werden, aktuelle Untersuchungstechniken benötigen etwa 2--4 mSv. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Vermeidung von Kontrastmittel. Die Kontrastmittel ist während Koliken kontraindiziert, da durch die verstärkte Diurese die Gefahr einer Fornixruptur besteht [Abb. CT-Abdomen mit Fornixruptur].


CT Abdomen nativ mittlerer Harnleiterstein links mit Harnstau
CT-Abdomen nativ (frontale Rekonstruktion): großer linksseitiger mittlerer Harnleiterstein in Höhe der Gefäßkreuzung mit massivem Harnstau. Mit freundlicher Genehmigung, Dr. G. Antes, Kempten.


Abbildung CT Abdomen mit Fornixruptur
CT-Abdomen mit Fornixruptur rechts: das Kontrastmittel umfließt das wenig kontrastierte Nierenbecken. Mit freundlicher Genehmigung, Dr. G. Antes, Kempten.

Weitere Diagnostik bei Nephrolithiasis

Urogramm:

Das Urogramm war früher Mittel der Wahl zum Nachweis einer Nephrolithiasis [Abb. 2.14 und 2.15], in der Akutdiagnostik vom CT-Abdomen nativ verdrängt. Das Urogramm sollte nicht während Koliken durchgeführt werden, da durch die verstärkte Diurese die Gefahr einer Fornixruptur besteht [Abb. 2.16]. Vorteil des Urogramms ist die Darstellung der Anatomie der ableitenden Harnwege zur Planung der Steintherapie.

Radiologische Zeichen der Urolithiasis:

in der Abdomenübersichtsaufnahme (Röntgen-Abdomen) röntgendichte Verschattungen in Projektion auf die Harnwege. 10–20 min nach KM-Gabe verzögerte KM-Ausscheidung und erweitertes NBKS (Harnstau). Auf den Spätbildern 1–2 h nach KM-Gabe Kontrastierung des Harnleiters bis zum Harnleiterstein, bei nicht schattengebenden Harnleitersteinen mit Füllungsdefekt. Selten Fornixruptur mit Extravasation.


Urogramm Füllungsdefekt im distalen Harnleiter als Zeichen eines nicht schattengebenden Harnleitersteins Nephrolithiasis
Distaler Harnleiterstein im Urogramm: Füllungsdefekt im distalen Harnleiter als Zeichen eines nicht schattengebenden Harnleitersteins.
Urogramm proximaler Harnleiterstein links mit Harnstau II Grades
Proximaler Harnleiterstein im Urogramm: proximaler Harnleiterstein links mit Harnstau II. Grades. Es finden sich als Nebenbefund noch KM-Reste im Darm nach Kolonkontrasteinlauf, welcher aufgrund Flankenschmerzen durchgeführt wurde.


Urogramm (12 min p.i. links und 30 min p.i. rechts) mit einer rechtsseitigen Fornixruptur: die Aufnahme nach 12 min zeigt einen beginnenden KM-Austritt an der oberen Kelchgruppe, auf der Spätaufnahme ist nur noch eine KM-Wolke in Projektion auf die Niere zu erkennen. Mit freundlicher Genehmigung, Dr. R. Gumpinger, Kempten.
Urogramm bei prävesikalem Harnleiterstein rechts zeigt sich die Ausbildung einer Fornixruptur

Nephrokalzinose:

Radiologische deskribtive Diagnose: bilaterale Ablagerung von Kalziumkristallen im Nierenparenchym und Tubulussystem, häufig auch mit Nephrolithiasis einhergehend. In der Röntgenleeraufnahme zeigen sich multiple Verkalkungen in Projektion auf die Nieren, strahlenartige Verkalkungen entsprechen den Verkalkungen in den Sammelrohren. Ursachen der Nephrokalzinose sind eine Hyperkalziurie (u.a. renal-tubuläre Azidose, Hyperparathyreoidismus, Vit. D-Intoxikation, Milch-Alkali-Syndrom, Sarkoidose, Tubulopathien, Markschwammniere).

Retrograde Pyelographie:

Die retrograde Pyelographie ist indiziert bei zweifelhaften Befunden in der Sonographie und Urographie, weiterhin auch vor endoskopischer Therapie.

MRT-Urographie:

Die MRT-Urographie ist indiziert bei bei Kindern oder Schwangeren zur Vermeidung der Strahlenbelastung oder V. a. Indinavir-Konkremente.

Metabolische Diagnostik

Basisprogramm:

wird bei jedem Patienten mit Erstdiagnose einer Nephrolithiasis durchgeführt.

Anamnese:

Steinanamnese, Ernährung, Medikamente, Familienanamnese.

Urin:

Urinsediment und Urinkultur, Urin-pH.

Serum:

Nierenwerte, Harnsäure, Natrium, Kalium, Calcium.

Erweiterte metabolische Diagnostik:

indiziert bei hohem Risiko für ein Rezidiv (siehe Tab. Risikofaktoren für Rezidivnephrolithiasis) oder bei pathologischen Befunden in der Basisdiagnostik. Die erweiterte Diagnostik sollte idealerweise im steinfreien Intervall durchgeführt werden.


Diese Risikofaktoren für eine Rezidiv-Nephrolithiasis sollten zu einer erweiterten metabolischen Diagnostik führen (Straub u.a., 2005).
Hochrisikogruppe für Rezidivnephrolithiasis
AnamneseMehr als 3 Rezidive in 3 Jahren, Kinder und Jugendliche, positive Familienanamnese
BildgebungEinzelniere, residuale Steinfragmente nach Therapie, Nephrokalzinose, bilateral große Steinlast
SteinartenInfektsteine, Brushitsteine, Harnsäuresteine, Xanthinsteine
GeneZystinurie (Typ A, B und C), primäre Hyperoxalurie, renale tubuläre Azidose Typ I, APRT (Adenin Phosphoribosyltransferase)-Defizienz, Xanthinoxidase-Defizienz, zystische Fibrose, ADPKD,
Weitere ErkrankungenHyperparathyreoidismus, Sarkoidose, gastrointestinale Erkrankungen wie Morbus Crohn, Malabsorption, Kurzdarmsyndrom oder Kolitis

24 h-Urin:

Folgende Parameter (je nach Steinanalyse) werden bestimmt: Volumen, spezifisches Gewicht, pH, Kreatinin, Kalzium, Harnsäure, Oxalat, Zitrat, Natrium, Magnesium, Phosphat, Ammonium, Zystin.

Bei einer Hyperkalziurie kann eine erneute 24 h-Urin-Messung nach einer Woche Natrium- und kalziumarmer Diät durchgeführt werden. Sinkt die Kalziumausscheidung unter 250 mg/24 h liegt eine Typ II (diätabhängige) absorptive Hyperkalziurie vor. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der absorptiven Hyperkalziurie ist jedoch von geringem klinischem Wert.

pH-Urin-Tagesprofil:

über einen Tag wird bei jeder Miktionsportion der pH-Wert bestimmt. Konstante pH-Werte über 7 sprechen für eine bakterielle Infektion. Konstante pH-Werte über 5,8 sind typisch für eine renale tubuläre Azidose. Konstante pH-Werte unter 5,8 finden sich bei einer Säurestarre und führen zu Harnsäuresteinen.

Serum:

Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin, Kalzium, Phosphat, Vit. D3 und Parathormon.






 Sachregistersuche: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


Literatur Nierenkolik und Diagnostik

Coe u.a. 2005 COE, F. L. ; EVAN, A. ; WORCESTER, E.: Kidney stone disease.
In: J Clin Invest
115 (2005), Nr. 10, S. 2598–608

Leitlinien der EAU: Urolithiasis

Kielar, A. Z.; Shabana, W.; Vakili, M. & Rubin, J. Prospective evaluation of Doppler sonography to detect the twinkling artifact versus unenhanced computed tomography for identifying urinary tract calculi.
J Ultrasound Med, 2012, 31, 1619-1625.

Moe 2006 MOE, O. W.: Kidney stones: pathophysiology and medical management.
In: Lancet
367 (2006), Nr. 9507, S. 333–44

R. Siener und A. Hesse. [modern general metaphylaxis of stone disease. new risks, new evidence, new recommendations].
Urologe A, 45 (11): 1392, 1394–1392, 1398, Nov 2006.


M. Straub, W. L. Strohmaier, W. Berg, B. Beck, B. Hoppe, N. Laube, S. Lahme, M. Schmidt, A. Hesse, und K. U. Koehrmann. Diagnosis and metaphylaxis of stone disease. consensus concept of the national working committee on stone disease for the upcoming german urolithiasis guideline.
World J Urol, 23 (5): 309–323, Nov 2005.

English Version: Diagnosis of renal colic and nephrolithiasis