Dr. med. Dirk Manski

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Prostatakarzinom: Ergebnisse und Nebenwirkungen der Strahlentherapie


Zusammenfassende Literatur und Leitlinien: EAU Guidelines, S3-Leitlinie Prostatakarzinom der DGU, Campbell-Walsh Urology (2015).

Externe Strahlentherapie (EBRT) des Prostatakarzinoms

Indikationen zur externen Strahlentherapie des Prostatakarzinoms:

Die externe kurative Strahlentherapie (engl. external beam radiation therapy, EBRT) ist bei organbegrenztem oder lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom ohne Fernmetastasen eine Therapieoption in allen Risikogruppen des Prostatakarzinoms. Die Lebenserwartung sollte mindestens 10 Jahre betragen. In retrospektiven Vergleichen zeigt die Strahlentherapie bei gut differenzierten Tumoren vergleichbare onkologische Ergebnisse wie die radikale Prostatektomie, bei schlecht differenzierten Tumoren hat die radikale Prostatektomie Vorteile [Tab. Risikostratifikation des PCA nach d’Amico und Onkologische Ergebnisse der Strahlentherapie beim Prostatakarzinom]. Die Strahlentherapie hat jedoch im Vergleich zur Prostatektomie deutliche Vorteile bezüglich der Harninkontinenz. Zusammenfassende Literatur: (Morris u.a., 2005).

Technik der externen Strahlentherapie:

Für den Erfolg der Strahlentherapie wurde eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung nachgewiesen. Die Standardstrahlendosis betrug in älteren Studien 64–72 Gy. Durch technische Modifikationen konnte eine Dosiseskalation in der Prostata und Schonung von vitalen Strukturen wie Urethra, Rektum und Harnblase erreicht werden. Aktuell wird eine Strahlendosis von 76–78 Gy empfohlen, dies geht mit einer Verbesserung der onkologischen Ergebnisse einher, während die urogenitalen Spättoxizitäten nicht signifikant erhöht sind (Viani u.a., 2009).

3D-konformale Strahlentherapie:

Die dreidimensionale konformale Strahlentherapie ist die aktuelle Standardtechnik in der externen Strahlentherapie des Prostatakarzinoms. Mit Hilfe eines Planungs-CT wird virtuell die Zieldosis für die Prostata geplant, weiterhin errechnet das Planungsprogramm die zu erwartenden Dosen für sensible Nachbarstrukturen. Die Prostata wird in mehreren Ebenen bestrahlt (z. B. 4 Strahlenfelder), welche möglichst nicht vitale Strukturen durchdringen. Mit Hilfe von individuellen Blenden, sogenannten Kollimatoren, werden die Strahlenfelder begrenzt. Die Kollimatoren bewirken in jedem Strahlenfeld eine Bestrahlung der Prostata mit Ausblendung von vitalen Strukturen. Für die Bestrahlung der Prostata ist auf eine volle Harnblase zu achten, dies senkt die Strahlenexposition der Harnblase. Die Bestrahlung wird fraktioniert verabreicht, z.B. jeden Wochentag mit ungefähr 1,8–2 Gy pro Sitzung, bis die gewünschte Dosis von 76–78 Gy erreicht ist.

Image-guided Radiotherapy (IGRT):

Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Strahlentherapie ist die genaue Lagerung des Patienten mit exakter Repositionierung bei der nächsten Bestrahlung. Bei der IGRT wird vor jeder Bestrahlung die Position der Prostata mit einer CT überprüft.

Intensitäts-modulierte Radiotherapie (IMRT):

Im Gegensatz zur 3D-konformalen Strahlentherapie mit homogenen Strahlenfeldern kann der Querschnitt des Strahlenfeldes bei der IMRT inhomogen in der Stärke moduliert werden. Somit kann die Bestrahlung nicht nur durch spezielle Blenden modifiziert werden, sondern auch durch die Intensitätsänderungen im Strahlfeld. Die IMRT hilft bei der Schonung von umliegenden Strukturen und senkt die Nebenwirkungsrate.

Protonentherapie des Prostatakarzinoms:

Die Bestrahlung mit geladenen Teilchen bietet Vorteile hinsichtlich der Dosisapplikation im Zielgewebe mit guter Schonung der benachbarten Gewebe. Da am Ende der linearen Teilchenbahn die hauptsächliche Energie abgegeben wird (Bragg-Peak), ist die Strahlenwirkung nach lateral und über das Ziel hinaus sehr gering. Die Protonentherapie kann mit der Photonenbestrahlung kombiniert werden. Erste Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse (Coen u.a., 2009), eindeutige Vorteile der Protonentherapie sind jedoch nicht belegt.

Nervenschonende Bestrahlungstherapie:

Durch genaue Planungs- und Bestrahlungstechniken können sensible Strukturen für die Erektion, wie Penisbasis und Apex der Samenblasen, geschont werden.

Bestrahlung der pelvinen Lymphabflusswege:

Die Datenlage ist unklar (Dirix u.a., 2014), bei einem Prostatakarzinom mit niedrigen klinischen Risiko wird sie nicht empfohlen. Die deutsche S3-Leitlinie gibt eine "kann" Empfehlung bei mittlerem und hohem klinischen Risiko.

Ergebnisse der externen Strahlentherapie des Prostatakarzinoms:

Prospektiv-randomisierte Studien konnten die deutliche dosisabhängige Wirkung der EBRT auf das rezidivfreie Überleben darstellen. Als Standard gilt heute eine Strahlendosis von 76–78 Gy. Die Langzeitergebnisse nach Strahlentherapie werden in Tab. Onkologische Ergebnisse der Strahlentherapie beim Prostatakarzinom dargestellt.

Langzeitergebnisse nach externer Strahlentherapie beim Prostatakarzinom. Metaanalyse aus 5 randomisierten RTOG-Studien, n=1557, keine Hormontherapie, Nachbeobachtung 15 Jahre, Angabe in 5JÜR, 10JÜR und 15JÜR (krankheitsspezifisch) (Roach u.a., 2000).
Tumorstadium 5JÜR 10JÜR 15JÜR
Gleason 2–6 + T1–2 96 % 86 % 72 %
Gleason 2–6 + T3 94 % 75 % 61 %
Gleason 7 + T1–2 94 % 75 % 61 %
Gleason 7 + T3 83 % 62 % 39 %
Gleason 8–10+ T1–2 83 % 62 % 39 %
Gleason 8–10 + T3 64 % 34 % 27 %

Adjuvante Hormontherapie:

Mehrere randomisierte Studien (Bolla u.a., 2009) (Jones u.a., 2011) belegen einen Überlebensvorteil für die adjuvante Hormontherapie nach Strahlentherapie für Patienten mit mittlerem und hohem Risiko [Tab. Risikostratifikation des PCA nach d’Amico]. Die EAU-Leitlinie empfiehlt als Therapiedauer für die adjuvanten Hormontherapie 6 Monate bei mittlerem Risiko und 24–36 Monate bei hohem Risiko, die Hormontherapie beginnt 2 Monate vor der Bestrahlungstherapie.

Nebenwirkungen der externen Strahlentherapie des Prostatakarzinoms:

Die Nebenwirkungen nach Strahlentherapie werden in Akutnebenwirkungen (innerhalb 90 Tage nach Therapie) und Spätnebenwirkungen (mehr als 3 Monate nach Therapie) eingeteilt [Tab. Klassifikation der Spätnebenwirkungen durch Strahlentherapie nach RTOG].


Spätnebenwirkungen nach Strahlentherapie: Klassifikation der Spätnebenwirkungen durch Strahlentherapie nach RTOG (Radiation Therapy Oncology Group).
Graduierung Gastrointestinaltrakt Urogenitaltrakt
Grad 1 unter 5 Stühle/d, geringer Blut- oder Schleimabgang, geringe Bauchkrämpfe Mikrohämaturie, geringe Schleimhautatrophie und Teleangiektasien
Grad 2 reduzierte Stuhlkonsistenz und mehr als 5 Stühle/d, Bauchkrämpfe, viel Schleim und zeitweiliger Blutabgang Moderate Pollakisurie (>1/h), gelegentliche Makrohämaturie, zahlreiche Teleangiektasien
Grad 3 massiv vermehrte wässrige Stühle, operationsbedürftige Stenosen, transfusionspflichtige Blutungen schwere Pollakisurie (<1/h), schwere Dysurie, häufige Hämaturie, Harnblasenkapazität unter 150 ml
Grad 4 Perforationen, Fisteln, lebensbedrohliche Blutungen, Nekrosen Perforationen, Fisteln, schwere hämorrhagische Zystitis, Harnblasenkapazität unter 100 ml
Grad 5 jede tödliche Komplikation jede tödliche Komplikation

Miktion:

Urgesymptomatik, obstruktive Miktionsbeschwerden bis Harnverhalt, Makrohämaturie, Harnröhrenstriktur, Inkontinenz, Harnblasenfisteln. Das Risiko für RTOG/EORTC relevante urogenitale Toxizität >2 beträgt ungefähr 30 % [Tab. 2.6]. Bei ausgeprägten obstruktiven Miktionsbeschwerden vor EBRT sollte die radikale Prostatektomie erwogen werden. Schwere Nebenwirkungen sind selten und beinhalten Harnblasenfisteln, schwere hämorrhagische Zystitis und die Entwicklung einer Schrumpfblase mit einer Harnblasenkapazität unter 100 ml.

Defäkation:

Stuhldrang, Schleimsekretion, Blutbeimengungen im Stuhl in 33 % der Fälle nach 3 Jahren. Das Risiko für RTOG/EORTC relevante gastrointestinale Toxizität >2 beträgt ungefähr 25 % [Tab. 2.6]. Schwere Nebenwirkungen sind selten und beinhalten Enddarmfisteln, Darmstenosen, Ileus, Darmperforation und lebensbedrohliche Blutungen.

Erektile Dysfunktion:

Eine erektile Dysfunktion entsteht mit deutlicher zeitlicher Verzögerung nach Strahlentherapie und betrifft nach zwei Jahren ungefähr 60% der Patienten (Stephenson u.a., 2005).

Weitere Nebenwirkungen der externen Strahlentherapie:

unmittelbar nach der Bestrahlung kann ein Strahlenkater und Müdigkeit entstehen, dies kann durch moderates aerobes Training gemindert werden. Im Langzeitverlauf von über 10 Jahren steigt das Risiko für sekundäre Tumoren, welche durch die Strahlentherapie induziert werden. Nach 5–8 Jahren besteht eine relative Risikozunahme für ein Harnblasenkarzinom von 50 % und für ein Rektumkarzinom von 70 %.

Biochemisches Rezidiv nach externer Strahlentherapie des Prostatakarzinoms:

Das biochemische Rezidiv nach Strahlentherapie ist ein PSA-Anstieg von 2 ng/ml über den PSA-Nadir nach Strahlentherapie. Wünscht der Patient eine lokale Rezidivtherapie, sollte vor weiteren Entscheidungen eine erneute Prostatabiopsie zur Sicherung des Lokalrezidivs durchgeführt werden, Metastasen sollten mit Hilfe eines PMSA-PET gesucht werden.

Salvage-Prostatektomie bei biochemischen Rezidiv nach Strahlentherapie des Prostatakarzinoms:

Kleinere Serien mit bis zu 80 Patienten konnten die Machbarkeit der radikalen Prostatektomie bei Rezidiv nach EBRT nachweisen. Die Harninkontinenz (starke Inkontinenz in bis zu 50 %) ist deutlich höher als bei der Prostatektomie ohne vorangegangene Bestrahlung. Es besteht eine relevante Gefahr der Nachbarorganverletzung (Rektum oder Harnleiter). Es profitieren vor allem Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom vor EBRT und vor Prostatektomie, einem PSA-Wert vor Prostatektomie von unter 10 ng/ml und einer Lebenserwartung von über 10 Jahren.

Salvage Strahlentherapie:

Das frühere Dogma, dass eine erneute Strahlentherapie nach therapeutischer Strahlentherapie nicht möglich sei, wird durch neuere Publikationen angezweifelt. Die Salvage Strahlentherapie ist mit Hilfe der stereotaktischen Bestrahlung oder der Brachytherapie möglich, die Nebenwirkungen sind geringer als nach einer Salvage Prostatektomie (Valle u.a., 2021). Die gezielte Strahlentherapie von isolierten Lymphknoten- oder Knochenmetastasen ist eine experimentelle Therapieoption zur Verzögerung oder Vermeidung der Hormontherapie (Farolfi u.a., 2021).

Hormontherapie bei biochemischen Rezidiv nach Strahlentherapie des Prostatakarzinoms:

Standardtherapie bei PSA-Rezidiv nach EBRT ist die dauerhafte Hormontherapie bei einer PSA-Verdoppelungszeit von 3–6 Monaten, bei nachgewiesener Fernmetastasierung oder bei symptomatischer lokaler Progression. Die PSA-Verdoppelungszeit ist der entscheidende Prognoseparameter, mit sehr schlechter Prognose bei einer Verdoppelungszeit von unter 3 Monaten. Das Ausmaß des PSA-Abfalls nach Beginn der Hormontherapie korreliert ebenfalls mit der Prognose.






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Literatur

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  English Version: Prostate carcinoma