Dr. med. Dirk Manski

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Embryologie des Urogenitaltraktes: Entwicklung der Nieren

Embryologie von Vorniere (Pronephros) und Urniere (Mesonephros)

Das Urogenitalsystem entwickelt sich aus dem intermediären Mesoderm (Somitenstiel), welches das segmentierte Somitenmaterial mit den unsegmentierten Seitenplatten verbindet. Die einzelnen Abschnitte des intermediären Mesoderms bilden perlschnurartig den nephrogenen Strang. Lateral davon entsteht der Ductus mesonephricus (Wolff-Gang).

Aus den kranialen Abschnitten des nephrogenen Strangs (ungefähr Somiten 1–10, Halssegmente) entwickelt sich die Vorniere (Pronephros). Diese ist lediglich in rudimentärer Form angelegt und ab der fünften Embryonalwoche nicht mehr nachweisbar.

Aus den folgenden Somiten (ungefähr 10–20, thorakale und lumbale Segmente) entwickelt sich die Urniere (Mesonephros). Pro Segment entstehen 2–3 Urnierennephrone mit Malpighischen Körperchen, Glomeruli, Bowmanscher Kapsel und S-förmigen Tubuli. Die insgesamt bis zu 42 Paare Urnierennephrone produzieren Harn, welcher über den Wolff-Gang abgeleitet wird (6. bis 9. Woche). Ab der siebten Woche beginnt der Abbau des Urnierensystems. Im Fall der männlichen Entwicklung bleiben die kranialen Urnierenkanälchen und der Wolff-Gang erhalten. Im Fall der weiblichen Entwicklung entwickelt sich die Urniere bis auf wenige Rudimente zurück.

Aus den verbleibenden kaudalen Somiten (sakrale Segmente) entwickelt sich die definitive Niere oder Nachniere, Metanephros [Abb. undifferenzierte Genitalanlage].


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Schematische Darstellung der undifferenzierten Genitalanlage eines Embryos in der 8. Woche. Der Müller-Gang ist blau eingefärbt, der Wolff-Gang und die Urniere rot. Abb. aus Gray’s Anatomy, Lea and Febinger 1918, Philadelphia, USA.

Embryologie der Nachniere (Metanephros)

Die definitive Niere (Metanephros) entsteht zeitlich und räumlich unabhängig von den Vorläufern aus den kaudalen Somiten (sakrale Segmente). In der sechsten Woche wächst aus dem Wolff-Gang kurz vor dessen Mündung in die Kloake die Ureterknospe, welche Ursprung der ableitenden Harnwege (Ureter, Nierenbeckenkelchsystem und Sammelrohre) ist. Diese nimmt Verbindung mit dem kaudalen Teil des nephrogenen Stranges auf, dem metanephrogenen Blastem. Die Ureterknospe und das metanephrogenes Blastem bilden unter gegenseitiger Beeinflussung die Nachniere.

Das kraniale Ende der Ureterknospe, die Ampulle, verzweigt sich dichotom und regt das metanephrogene Blastem zur Proliferation an. Mit dem ersten Wachstumsschub (3–5 Teilungen) entsteht das Nierenbecken und das Kelchsystem (10–25 Calices minores und Nierenpapillen). Beinhaltet die erste Teilung die Ureterknospe, so entsteht ein doppelter Ureter und ein doppeltes Nierenbecken. Der zweite Wachstumsschub umfasst 3–5 Teilungen, dies resultiert in 10–25 Sammelrohrmündungen (Ductus papillaris) pro Papille. Im dritten Wachstumsschub teilen sich die Ductus papillares in 5–7 Generationen, diese Phase dauert bis zur 15. Woche an.

Jeder Zweig des Sammelrohrsystems endet mit einer terminalen Ampulle, dort wird die Bildung einer Nephronanlage induziert. Der fehlende Anschluss einer Nephronanlage an die Ampulle führt zu einer Zyste.

Die terminale Ampulle teilt sich und induziert die Bildung weiterer Nephrone (1. Periode bis zur 14. Woche mit 8 Generationen, 2. Periode bis zur 22. Woche mit 8–12 Generationen, Ende der Nephronbildung in der 32. bis 36. Woche). Insgesamt entsteht so vor der Geburt die endgültige Anzahl der Nephrone mit etwa 1 000 000 Nierenkörperchen pro Niere. Die Schwankungsbreite ist jedoch beträchtlich, und die Anzahl der Nephrone korreliert mit dem Geburtsgewicht. Eine geringe Anzahl an Nephronen erhöht das Risiko für Nierenerkrankungen und Hypertonie.

In der frühen Entwicklung (5. bis 8. Woche) entsteht durch das Wachstum und die Umformung der lumbosakralen Region die Aszension der Nieren. Dabei rotiert die Niere um ihre Längsachse, sodass das Hilum von ventral nach medial verlagert wird. Die Gefäßversorgung wechselt von Ästen der Iliakalgefäße zur Versorgung durch die Lumbalarterien, wobei meist die Arterie auf Höhe des zweiten Lendenwirbelkörpers die Nierenarterie bildet.






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Literatur

Benninghoff 1993 BENNINGHOFF, A.: Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen.
15. Auflage.
Mnchen; Wien; Baltimore : Urban und Schwarzenberg, 1993