Dr. med. Dirk Manski

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Röntgen und Strahlenschutz

Zusammenfassende Literatur: (Shannoun u.a., 2008).

Strahlenschäden durch ionisierende Strahlung

Mechanismen der Strahlenwirkung:

Die Wirkung von Röntgenstrahlen auf Gewebe führt zur Absorption (Energieverlust der Strahlung), zur indirekten Ionisation (Compton Effekt), Molekülanregung und einer vernachlässigbaren Erwärmung. Es entstehen chemische Veränderungen wie Hydroxylierung an entscheidenden Proteinen (z. B. DNA-Replikationsenzyme) oder an der DNA selber. Als Strahlenschaden sind Störungen der Zellfunktion, Zellschäden mit Apoptose und Mutationen mit Karzinogenese möglich.

Deterministische Strahlenwirkung:

Die Strahlenwirkung tritt regelhaft oberhalb von bestimmten Schwellendosen auf. Das Ausmaß der Strahlenschädigung ist dosisabhängig, z. B. Strahlenkatarakt.

Stochastische Strahlenwirkung:

Die Wahrscheinlichkeit des Strahlenschadens steigt mit der Strahlendosis, die Schwere der Schädigung ist jedoch unabhängig von der Strahlendosis, z. B. Karzinogenese. Es existiert keine Schwellendosis, unter welcher eine stochastische Strahlenwirkung ausgeschlossen werden kann.

Somatische Strahlenschäden:

Strahlenschädigung des Individiums (alle Organe außer Keimzellen). Dabei können deterministische Strahlenwirkungen (Katarakt, Strahlendermatitis) und stochastische Strahlenwirkungen (Induktion von Karzinomen) wieder unterschieden werden.

Genetische Strahlenschäden:

Strahlenschädigung der Keimzellen, die Wirkung ist erst bei den folgenden Generationen zu erkennen. Genetische Strahlenschäden beruhen meist aufgrund von stochastischen Strahlenwirkungen.

Strahlendosimetrie und Strahlenschutz

Strahlendosis:

Für einen effektiven Strahlenschutz ist es notwendig, die Wirkung von Röntgenstrahlung auf biologisches Gewebe zu quantifizieren. Folgende physikalische Größen finden Anwendung:

Energiedosis:

charakterisiert die in 1 kg Materie absorbierte Strahlenenergie.
Einheit Gray (Gy) = 1 J/kg. Historische Einheit Rad (rd) = 0,01 Gy.

Äquivalenzdosis:

Die Energiedosis wird mit einem dimensionslosen Strahlenwichtungsfaktor wR multipliziert, um der unterschiedlichen biologischen Wirksamkeit verschiedener Strahlenarten gerecht zu werden. Gamma- und Röntgenstrahlen haben den Wichtungsfaktor wR von 1. Neutronen-, Protonen- oder Alpha-Strahlen haben einen Wichtungsfaktor wR von 5–20.
Einheit Sievert (Sv) = 1 J/kg. Historische Einheit Rem (rem) = 0,01 Sv.

Effektive Dosis:

Die Äquivalenzdosis wird mit einem dimensionslosen Gewebewichtungsfaktor wT multipliziert, um die unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit der einzelnen Organe zu berücksichtigen [Tab. 1.1]. Bei einer kombinierten Strahlenschädigung mehrerer Organe wird für jedes Organ die effektive Dosis berechnet und für den Organismus aufsummiert. Einheit Sievert (Sv) = 1 J/kg. Historische Einheit Rem (rem) = 0,01 Sv.


Tabelle 1.1: Gewebe-Wichtungsfaktoren nach RÖV Anlage 3 zu § 31a
Gewebe oder Organe Gewebe-Wichtungsfaktoren WT
Keimdrüsen 0,20
Knochenmark (rot), Dickdarm, Lunge, Magen je 0,12
Blase, Brust, Leber, Speiseröhre, Schilddrüse je 0,05
Haut, Knochenoberfläche je 0,01
Andere Organe oder Gewebe je 0,05

Dosisflächenprodukt:

Die effektive Dosis kann nicht direkt gemessen werden, es gelingt aber näherungsweise mit der Messung des Dosisflächenprodukts. Das Dosisflächenprodukt [Einheit Gy × cm2] wird mit einer dauernd im Strahlengang befindlichen flachen Ionisationskammer gemessen und ist ein Produkt aus Dosisleistung [Gy/s], Zeit [s] und Feldgröße [cm2]. Um die effektive Dosis zur erhalten, wird das Dosisflächenprodukt wird mit einem untersuchungsspezifischen Konversionsfaktor multipliziert. Für das Abdomen beträgt der Konversionsfaktor 0,323 mSv/(Gy × cm2).

Strahlenexposition bei urologischen Untersuchungen

Für typische effektive Dosen bei urologischen Untersuchungen siehe Tab. 1.2.

Tabelle 1.2: Typische effektive Dosen bei urologischen Röntgen-Untersuchungen (Shannoun u.a., 2008).
Untersuchung Effektive Dosis [mSv] vergleichbare Anzahl an Rö-Thorax-Aufnahmen
Thorax 0,02 1
Nierenszintigraphie 0,8 40
Abdomen 1,0 50
Lendenwirbelsäule 1,3 65
Ausscheidungsurographie 2,5 125
Skelettszintigraphie 4,4 220
Positronenemissionstomographie 7,2 360
CT-Abdomen 10 500

Klinisches Strahlenrisiko durch Röntgenstrahlen

Die mittlere effektive Dosis für Röntgenuntersuchungen in Deutschland pro Einwohner betrug 2001 1,8 mSv, Tendenz steigend. Zum Vergleich, die mittlere effektive Dosis der natürlichen Strahlung beträgt 2,4 mSv pro Jahr. Fast 50 % der medizinischen Strahlendosis werden von der Computertomographie verursacht, obwohl der Anteil der Computertomographie an den Röntgenuntersuchungen nur 7 % ist. Es wird geschätzt, dass die medizinische Strahlendosis etwa 1,5–2 % zusätzliche Mortalität durch Krebserkrankungen verursacht.

Strahlenschutz von beruflich strahlenexponierter Personon

Strahlenschutzbereiche:

zur Einschätzung des Strahlenrisikos werden folgende Räume unterteilt:

Überwachungsbereich:

eine potentielle effektive Dosis von über 1 mSv pro Jahr kann überschritten werden, sie liegt aber unter 6 mSv pro Jahr. Im urologischen Arbeitsbereich sind dies meist die Räume um Röntgenanlagen. Der Überwachungsbereich muss nicht gekennzeichnet werden.

Kontrollbereich:

eine potentielle effektive Dosis von über 6 mSv pro Jahr kann überschritten werden, sie liegt aber unter 3 mSv pro Stunde. Im urologischen Arbeitsbereich sind dies meist die Räume mit Röntgenanlagen. Personen, welche im Kontrollbereich arbeiten, werden zu der Kategorie A der beruflich strahlenexponierten Personen gerechnet. Die Körperdosen müssen durch ein Dosimeter bestimmt werden. Vor dem erstmaligen Zutritt und dann mindestens jährlich muss eine Unterweisung insbesondere über die anzuwendenden Strahlenschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Personen unter 18 Jahre und Schwangere dürfen nicht im Kontrollbereich arbeiten.

Dosisgrenzwerte bei beruflicher Strahlenexposition

Der Grenzwert für die maximale effektive Jahresdosis beträgt 20 mSv. Der Grenzwert für die Berufslebensdosis beträgt 400 mSv. Es existieren weitere Grenzwerte für einzelne Organe.

Minimierung der Strahlenexposition:

folgende Maßnahmen sind geeignet, um die berufliche Strahlenbelastung zu senken:

Reduktion der Strahlendosis für den Patienten:

Vermeidung unnötiger Röntgenaufnahmen, Minimierung der Durchleuchtungszeit, optimale Belichtungstechnik und Einblenden der Zielregion, Verwendung von Bleiabdeckungen für den Patienten.

Abstand:

die Verdopplung des Abstands reduziert die Strahlenbelastung auf ein Viertel (quadratisches Abstandsgesetz).

Abschirmung:

Tragen von Schutzkleidung (Röntgenschürze, bei längerer Durchleuchtung Schilddrüsenschutz und Schutzbrille), Verwendung von Bleiabdeckungen für den Patienten (senkt die Streustrahlung).

Aufenthaltsbegrenzung:

Minimierung der Durchleuchtungszeit, Meidung des Nutzstrahlenfeldes.








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Literatur Strahlenschutz

Shannoun u.a. 2008 SHANNOUN, F. ; BLETTNER, M. ; SCHMIDBERGER, H. ; ZEEB, H.: Strahlenschutz in der diagnostischen Radiologie.
In: Dtsch Arztebl
105 (2008), Nr. 3, S. 41–46