Dr. med. Dirk Manski

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Physiologie der Harnblase: Reflexe und Funktionssteuerung

Physiologie der Harnblase

Biomechanische Grundlagen der Harnblase

Laplace-Gesetz:

Die Wandspannung eines sphärischen Körpers hängt von seinem Innendruck (Pves), seiner Wanddicke (d) und seinem Radius (r) ab:



Wandspannung = Pves × r / (2d)


Die Wandspannung erhöht sich bei einem Harnverhalt mit zunehmender Harnblasenfüllung durch die Zunahme des Radius und die Abnahme der Wanddicke. Siehe auch Abschnitt BPH zu den pathophysiologischen Folgen des Harnverhalts.

Dehnbarkeit (Compliance) der Harnblase:

Die Dehnbarkeit der Harnblase hängt sowohl von neuromuskulären Faktoren als auch vom Bindegewebsgehalt der Harnblase ab. Die Compliance errechnet sich nach folgender Formel aus der Zunahme an Harnblasenvolumen in Abhängigkeit vom intravesikalen Druck (Normal 20–60 ml/cm H2O):


Compliance = Harnblasenvolumenänderung / Harnblasendruckänderung

Detrusordruck:

der Detrusordruck kann aus der Differenz des intravesikalen Drucks und des intraabdominellen Drucks berechnet werden. Beide Drücke können mit Hilfe von Messkathetern in der Harnblase und im Enddarm gemessen werden:


Detrusordruck = intravesikaler Druck − abdomineller Druck

Urethraler Widerstand:

Der urethrale Widerstand kann aus dem maximalen Harnfluss (Qmax) und dem Detrusordruck bei maximalem Harnfluss (Pdet bei Qmax) nach folgender Formel berechnet werden. Normwerte Männer <0,6 und Frauen <0,2 bei Miktionsvolumina zwischen 200–400 ml.


Formel urethraler Widerstand Urodynamik subvesikale Obstruktion (2.4)

Neuronale Steuerung der Harnblase

Zwei Funktionszustände der Harnblase sind zu unterscheiden: die Füllungsphase und die Miktion.

Speicherphase der Harnblase:

die Füllung der Harnblase wird durch folgende Mechanismen ermöglicht:


Entleerungsphase der Harnblase:

Die Miktion wird durch folgende Mechanismen ermöglicht:

Neuronale Reflexbögen zur Steuerung der Harnblasenfunktion:

die afferenten Signale von Dehnungs- und Volumenrezeptoren übermitteln Informationen über die Harnblasenfüllung an spinale und höher gelegene Zentren. Je nach Füllungszustand werden unterschiedliche Reflexbögen aktiviert:

Spinaler Urinhaltereflex:

Spinale multineuronale Reflexe hemmen die Miktion während der Füllungsphase (guarding reflex): Afferenzen aus Harnblasenwand, Beckenbodenmuskulatur (Beckenbodendehnung), Penis, Rektum und Vagina bewirken eine Kontraktion des quergestreiften Sphinkters (N. pudendus) und eine Hemmung des M. detrusor (Aktivierung des Sympathikus und Hemmung der parasympathischen Ganglien). Mit zunehmender Harnblasenfüllung steigt die Kontraktion der Verschlussmuskulatur. Dieser Mechanismus erklärt die häufigen Harnverhalte nach Eingriffen in oben genannten Regionen: die starke afferente Reizung führt zur Detrusorhemmung. Er ist weiterhin die Grundlage für die sakrale Neurostimulation bei überaktiver Harnblase.

Pontiner Miktionsreflex:

Mit zunehmender Harnblasenfüllung nimmt die afferente neuronale Aktivität der Harnblase zu, dies aktiviert das Miktionszentrum im Hirnstamm (Pons). Das pontine Miktionszentrum (Barrington nucleus) hemmt den spinalen Urinhaltereflex, dadurch wird der M. detrusor aktiviert und der Verschlussapparat gehemmt.

Kortikale Miktionssteuerung:

Supraspinale Zentren hemmen die Miktion. Ab einem bestimmten Füllungsgrad wird die Harnblasenfüllung an kortikale Zentren weitergeleitet und damit bewusst wahrgenommen. Die Einleitung der Miktion ist willkürlich steuerbar, das kortikale Miktionszentrum kann das pontine Miktionszentrum in einem bestimmten Bereich der Harnblasenfüllung hemmen. Läsionen des kortikalen Miktionszentrums führen zum Verlust der inhibitorischen Projektion und zur überaktiven Harnblase. Wie jeder quergestreifte Muskel unterliegt auch der quergestreifte Sphinkter der Harnblase der willkürlichen Kontrolle durch die Pyramidenbahn und über das extrapyramidale System.

Harnröhren-Harnblasenreflex:

Urinfluss oder mechanische Dehnung der Harnröhre bewirken eine Stimulation der Harnblasenkontraktionen. Dieser Reflex ist wichtig für eine vollständige Blasenentleerung. Er dient als Erklärungsmodell für die kombinierte Urge- und Belastungsinkontinenz der Frau: Stressbedingter Urinaustritt in die Harnröhre induziert eine Detrusorkontraktion.




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Literatur Harnblase

Benninghoff 1993 BENNINGHOFF, A.: Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen.
15. Auflage.
Mnchen; Wien; Baltimore : Urban und Schwarzenberg, 1993

  English Version: Function (physiology) of urinary bladder