Dr. med. Dirk Manski

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Harnblase: molekulare Rezeptoren und Pharmakologie

Physiologie der Harnblase

Glattmuskuläre Detrusor-Muskelkontraktion

Die Interaktion von Aktin und Myosin ist ein ATP-abhängiger Prozess. Die Myosinköpfe spalten ATP und führen dabei eine Knickbewegung aus. Die Aktivierung der Myosin-ATPase wird über die Myosin light chain kinase gesteuert, welche durch den intrazellulären Anstieg der Kalziumkonzentration getriggert wird. Die Membrandepolarisation der glatten Muskelzelle verursacht den intrazellulären Kalziumanstieg. Auslöser für eine Membrandepolarisation sind die Aktivierung von muskarinergen M3-Acetylcholin-Rezeptoren, welche als second messenger IP3, Ca2+ und DAG freisetzen.

Im Vergleich zur skelettmuskulären Kontraktion ist die Kontraktion von glatten Muskelzellen langsamer, weniger ermüdend, führt zu größeren Verkürzungen der Muskelzellen und ist energiesparend. Aufgrund der schlechteren elektrischen Verbindung der glatten Muskelzellen der Harnblase im Vergleich zum Darm sind tetanische Kontraktionen aller Muskelzellen nicht vorhanden, dies ermöglicht die gute Speicherkapazität der Harnblase. Für die gemeinsame Kontraktion aller Muskelfasern des Detrusormuskels ist die Ausschüttung von Acetylcholin aus parasympathischen Nerven notwendig.

Molekulare Pharmakologie der Harnblase

Cholinerge Rezeptoren der Harnblase:

Bisher wurden fünf muskarinerge Rezeptorsubtypen identifiziert (M1 bis M5). Die Harnblase besitzt vor allem M1, M2 (80 %) und M3 (20 %)-Rezeptortypen, doch nur die M3-Subtypen sind für die parasympathische Detrusorkontraktion verantwortlich. M3-Rezeptoren kommen hauptsächlich in glatter Muskulatur und in Drüsen vor. Die Stimulation von M3-Rezeptoren mit Acetylcholin bewirkt die Freisetzung von IP3 und Kalzium, welche zur glattmuskulären Kontraktion führen (s. o.).

Aufgrund der weiten Verbreitung muskarinerger Rezeptoren im Körper haben Anticholinergika ein breites Nebenwirkungsspektrum (Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, GI-Symptome). Die Entwicklung spezifischer M3-Rezeptoren-Antagonisten hilft nicht, die Nebenwirkungsrate zu verbessern, da diese Rezeptoren auch in anderen Organen wie im ZNS und an Drüsen zu finden sind. Ziel ist die Entwicklung von gewebespezifischen (also harnblasenspezifischen) Substanzen. Zur Zeit werden hauptsächlich Tolterodin, Oxybutynin, Propiverin und Trospium für die Therapie der Harnblaseninstabilität eingesetzt.

Adrenerge Rezeptoren der Harnblase:

Die Rezeptoren des Sympathikus werden eingeteilt in α1, α2, β1, β2 und β3-Rezeptoren.

β-Rezeptoren:

Die Stimulation von adrenergen β-Rezeptoren führt zur Aktivierung der Adenylatzyklase, zur Freisetzung von zyklischem AMP (cAMP) und zur Inhibition des M. detrusor. Die allgemeine β-Stimulation ist aufgrund des Nebenwirkungsprofils kein Ansatz für eine Harnblasendämpfung. Adrenerge β3-Rezeptoren kommen auch in der Harnblase vor und vermitteln (kaum) kardiovaskuläre Wirkungen. Sie werden in letzter Zeit vermehrt als pharmakologisches Ziel für die Therapie der überaktiven Harnblase untersucht. Erfolgreich getestete β3-Agonisten sind Mirabegron und Solabegron (Chapple, 2012). Es gibt auch Bemühungen, einen spezifischen Phosphodiesterase-Hemmer für die Harnblase zu identifizieren.

α-Rezeptoren:

Im Trigonumbereich und in der Urethra befinden sich zahlreiche α1- und α2-Rezeptoren. α1-Rezeptoren sind häufiger bei Männern, α2-Rezeptoren häufiger bei Frauen. α-Rezeptoren sind in der Detrusormuskulatur selten.
Die α1-Rezeptoren werden in 3 Subtypen eingeteilt (A, B und D), in der Harnblase und Urethra sind α1A-Rezeptoren häufig. Eine adrenerge Stimulation von α1-Rezeptoren führt zu einer Erhöhung des Harnblasenverschlusses. Die Blockade von α1-Rezeptoren führt zu einer Verminderung des Harnblasenverschlusses und wird in der BPH-Therapie ausgenutzt. Adrenerge Substanzen erhöhen den Sphinkterdruck und werden bei Inkontinenz angewendet.

Purinerge Rezeptoren der Harnblase:

Die Beteiligung des Neurotransmitters ATP an der physiologischen Harnblaseninnervation ist weitgehend unklar, ATP spielt jedoch eine Rolle bei der instabilen Harnblase und bei der afferenten Innervation der Harnblasendehnung.

Stickstoffmonoxid NO:

NO ist einer der Haupttransmitter für die urethrale glattmuskuläre Erschlaffung während der Miktion, dabei wird NO von parasympathischen Nerven freigesetzt und durch Phosphodiesterasen inaktiviert. Phosphodiesterasehemmer wie Tadalafil sind in der Behandlung der symptomatischen BPH wirksam.

Vanilloidrezeptoren der Harnblase:

Vanilloidrezeptoren sind Schmerzfaserrezeptoren. In der Harnblase wird die Inaktivierung der Vanilloidrezeptoren durch wiederholte Gabe von Capsaicin oder Resiniferatoxin zur Therapie der instabilen Harnblase ausgenutzt.

Afferente Neuropeptide:

Viele Neuropeptide wurden bisher in der Harnblase nachgewiesen: z. B. Substanz P, Neurokinin A und B, Calcitonin gene-related peptide (CGRP), ...
Diese Substanzen werden v. a. in Capsaicin-sensitiven afferenten Nervenfasern gefunden. Nach Stimulation mit entsprechenden Noxen sind diese Neurotransmitter auch für die neurogene Entzündung verantwortlich, die schmerzhafte Stimuli begleitet (Plasmaextravasation, Vasodilatation und erhöhte glattmuskuläre Aktivität).

Prostaglandine:

PGF2α, PGE und PGE2 führen zu einer Detrusorkontraktion.






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Literatur

Benninghoff 1993 BENNINGHOFF, A.: Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen.
15. Auflage.
Mnchen; Wien; Baltimore : Urban und Schwarzenberg, 1993

Chapple, C. R. β3-Agonist Therapy: A New Advance in the Management of Overactive Bladder?
Eur Urol, 2012, 62, 841-842.

  English Version: Pharmacology of the urinary bladder