Dr. med. Dirk Manski

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Benigne Prostatahyperplasie (BPH) und benignes Prostatasyndroms (BPS)


Definitionen der benignen Prostatahyperplasie (BPH)

Pathologische Definition:

Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist eine häufige Hyperplasie der periurethralen Mantelzone (Übergangszone) der Prostata, welche sowohl die epithelialen als auch die stromalen Komponenten der Prostata betrifft und zu einer grobknotigen Organvergrößerung führt. Zusammenfassende Literatur: (Burnett und Wein, 2006) (DGU Leitlinie BPH) (EAU-Leitlinie: Non-neurogenic male LUTS).

LUTS (lower urinary tract symptoms):

Lower urinary tract symptoms (LUTS) ist das englische zusammenfassende Akronym für obstruktive und irritative Miktionsbeschwerden, welche jedoch nicht spezifisch für die BPH sind.

Klinische Definition:

Treten Miktionsbeschwerden (LUTS), Harnblasendysfunktion, Hämaturie oder Harnwegsinfekte aufgrund von BPH auf, so spricht man von dem benignen Prostatasyndrom (BPS) .


Epidemiologie der benignen Prostatahyperplasie (BPH)

Die epidemiologischen Daten zur BPH/BPS sind stark abhängig von der Betrachtungsweise: pathologisches Prostatavolumen, Harnflussmessungen, subjektive und objektive Beschwerden und die Betrachtung der Parameter in Kombination.

Prävalenz der BPH:

bei pathologischer Betrachtungsweise existiert abhängig vom Alter eine zunehmende Prävalenz beginnend ab dem 35. Lebensjahr, jede Dekade nimmt die Prävalenz um 15 % zu. Fast 100 % der 90jährigen haben im pathologischen Sinne eine BPH. Die pathologische Prävalenz korreliert jedoch nicht mit der klinischen Bedeutung.

Prostatavergrößerung:

Das Volumen der Prostata nimmt mit dem Lebensalter zu: von 25 ml (30. bis 35. Lebensjahr) auf 45 ml (70. Lebensjahr), Übergangszonenvolumen nimmt von 15 ml auf 25 ml zu (gleiche Altersgruppen).

Maximaler Harnflusses:

der maximale Harnfluss sinkt von 20 ml/s (40. bis 44. Lebensjahr) auf 11 ml/s (75. bis 79. Lebensjahr), gleichzeitig verringert sich das Miktionsvolumen von 355 ml auf 223 ml.

Kombinierte Betrachtung:

eine klinisch bedeutsame BPH kann durch eine kombinierte Betrachtung von Symptomen (IPSS, Harnstrahl und Prostatavolumen besser als durch einzelne Parameter erfasst werden:

das Risiko an einer klinisch bedeutsamen BPH zu erkranken beträgt 10–20 % (50. bis 59. Lebensjahr) und 25–35 % (60. bis 79. Lebensjahr).

Mortalität durch die benigne Prostatahyperplasie (BPH):

deutliche Abnahme der Mortalität in den westlichen Ländern. Todesursachen sind das postrenale Nierenversagen und die Urosepsis.

Harnverhalt:

Die Inzidenz eines Harnverhaltes liegt zwischen 50–200/100000. Je mehr Beschwerden, je größer die Prostata und je schwächer der Harnstrahl, desto wahrscheinlicher ist der Harnverhalt.

Häufigkeit der TURP:

Sinkende Häufigkeit der TURP, 15/1000 Personen-Jahre (1984 bis 1990) auf 7/1000 Personen-Jahre (1991–1997). Alter, Restharn, schwacher Harnstrahl und Prostatagröße sind Risikofaktoren für eine drohende TURP/Prostatektomie.

Risikofaktoren für die benigne Prostatahyperplasie (BPH):

die Epidemiologie der BPH ist weitgehend konstant, ohne starke genetische Faktoren oder Umgebungseinflüsse.

Adipositas:

Die Adipositas führt zu erhöhten Östrogenkonzentrationen, dies ist ein Risikofaktor für BPH und überaktiver Harnblase. Umgekehrt reduziert körperliche Aktivität das Risiko, an einem BPS zu erkranken (Parsons u.a., 2011).

Sexuelle Aktivität:

Die sexuelle Aktivität ist kein Risikofaktor, umgekehrt kann die BPH (und die operative Therapie) eine erektile Dysfunktion verursachen.

Rauchen:

senkt moderat das Risiko einer klinisch signifikanten BPH, vermindert etwas die Prostatagröße und senkt das Risiko einer operativen Therapie.

Medikamente:

Antidepressiva, Antihistaminika oder Bronchodilatatoren verschlechtern die Symptomatik der BPH.

Prostatakarzinom:

Die pathologisch definierte benigne Prostatahyperplasie gilt nicht als Risiko für ein Prostatakarzinom. Jedoch ist das Prostatakarzinomrisiko bei Patienten mit Harnverhalt oder operativer BPS-Therapie signifikant erhöht (RR 2,2–3,3 für die Inzidenz, RR 2–7,4 für die Mortalität) (Ørsted u.a., 2011). Die Datenlage ist umstritten (Kopp u.a., 2011).

Ätiologie der benignen Prostatahyperplasie (BPH)

Prostatahyperplasie:

Die Prostatahyperplasie führt zur Erhöhung der stromalen und epithelialen Zellzahl. Molekulare Daten sprechen eher für eine Verminderung der Apoptose als für eine echte Zellproliferation als Ursache für die Zellvermehrung im Rahmen der BPH. Weiterhin gibt es Anhalt für eine fehlende Ausdifferenzierung der Epithelzellen, da trotz vermehrter Anzahl der Drüsenzellen die Sekretionsleistung der Prostata abnimmt.

Androgene und BPH:

Die Anwesenheit von Androgenen ist für die Entwicklung der BPH notwendig, Kastraten entwickeln keine BPH. Das zirkulierende Testosteron wird für die intraprostatische Wirkung durch die 5α-Reduktase in Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt. Typ 1 der 5α-Reduktase findet sich v.a. in extraprostatischen Geweben (Haut, Leber), Typ 2 befindet sich hauptsächlich in der Prostata. Die Aktivitätssteigerung der Typ 2 5α-Reduktase kann die BPH bewirken (Steers, 2001).

Extrazellulärmatrix (EZM) und BPH:

Die Einwirkung einer veränderten EZM auf die Epithelzellen kann zur Proliferation führen, ähnlich wie bei der Embryogenese. Dies kann z. B. durch Bindung von Wachstumsfaktoren an die EZM erfolgen, aber auch veränderte Anteile von EZM-Proteinen können proliferativ wirken.

Wachstumsfaktoren und BPH:

Die vermehrte Expression von Wachstumsfaktoren (FGF, KGF, EGF, IGF, TGF-α) oder deren Rezeptoren führt zur Proliferation und Inhibition der Apoptose von Prostatadrüsen.

Genetische Faktoren der benignen Prostatahyperplasie (BPH):

Falls eine operative Therapie aufgrund von BPH vor dem 60. Lebensjahr notwendig wird, ist dies in 50 % auf familiäre Faktoren zurückzuführen. Bei über 60jährigen ist dies nur in 9 % der Fälle familiär bedingt. Genauere Genprodukte als Ätiologie einer vererbbaren BPH sind bisher nicht bekannt.

Pathologie und Pathophysiologie der benignen Prostatahyperplasie (BPH)

Makroskopie der benignen Prostatahyperplasie (BPH):

Die Vergrößerung der periurethralen Prostata> kann entweder isoliert den sogenannten Mittellappen, den Seitenlappen oder eine Kombination beider betreffen. Die ersten Veränderungen entstehen in den periurethralen Drüsen um das Verumontanum. Durch die starre Prostatakapsel wird das Lumen der prostatischen Harnröhre komprimiert. Da die Größe der Prostata nicht mit dem Ausmaß der subvesikalen Obstruktion korreliert, sind weitere anatomische und funktionelle Faktoren für die Ausbildung einer symptomatischen BPH zu vermuten (Abbildung Benigne Prostatahyperplasie in der Autopsie).

Mikroskopie der benignen Prostatahyperplasie (BPH):

Die BPH ist eine echte Hyperplasie mit Zunahme der Zellzahl. Die hyperplastischen Veränderungen führen zunächst zu einer stromalen Gewebereaktion, dann folgt eine kleinknotige fibroadenomatöse Hyperplasie. Auf zellulärer Ebene entsteht zu einem gewissen Anteil auch eine Hypertrophie, die Zellkerne der Drüsen zeigen keine Zeichen der Malignität. Im weiteren Verlauf der Erkrankung folgt die großknotige Vergrößerung des Organs.

Die deutliche Zunahme der Anzahl der glatten Muskelzellen im Prostatagewebe führt zu einer dynamischen, also durch Muskelkontraktion ausgelösten, Komponente der Obstruktion. Der Muskeltonus wird über α1A-Adrenorezeptoren vermittelt. Glatte Muskelzellen der Prostata und Harnblase exprimieren auch Typ 4 und Typ 5 Phosphodiesterase. Randomisierte Studien zeigten, dass die Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Phosphodiesterasehemmer BPH-Beschwerden lindert (Laydner u. a., 2011).

Auswirkung der subvesikalen Obstruktion auf die Harnblase:

Die initiale Antwort der Harnblase auf die subvesikale Obstruktion ist eine Detrusorhypertrophie, welche die Harnblasenentleerung bei höherem Miktionsdruck ermöglicht. Es folgt eine vermehrte Kollagenablagerung und Trabekulierung der Harnblase, die Elastizität nimmt ab. Die hohen Miktionsdrücke können zur Ausbildung von Pseudodivertikeln führen, welche die funktionelle Restharnmenge erhöhen. Der pathologische Endzustand der Harnblasenschädigung durch die BPH wird Balkenblase genannt [Abb. Balkenblase].

Die intra- und extrazellulären Veränderungen der Harnblase bedingen die Neigung zur Detrusorinstabilität, klinisch entstehen Pollakisurie und häufiger Harndrang. Die zunehmende Dilatation der Harnblase schwächt die Detrusorkontraktion und führt zur Restharnbildung. Im weiteren Verlauf dekompensiert die Harnblase und vergrößert sich fortlaufend gemäß dem Gesetz nach Laplace. Klinisch resultiert eine chronische Harnretention mit Inkontinenz.


Retrograde Pyelographie bei therapierefraktärem postrenalen Nierenversagen aufgrund einer BPH. Beachte die Streckung der beiden dilatierten, elongierten und abgeknickten Ureteren (Gartenschlauchharnleiter) durch die Harnleiterschienen. Das Ureterkinking kann auch noch nach DK-Einlage eine signifikante Obstruktion verursachen, so dass bei anhaltenden erhöhten Retentionsparameter die passagere Harnleiterschienung notwendig ist.
Abbildung Retrograde Pyelographie und beidseitige Harnleiterschienung bei postrenalem Nierenversagen aufgrund einer BPH: die beidseitige Hydronephrose wird mit DJ-Harnleiterschienen entlastet

Auswirkung der subvesikalen Obstruktion auf den oberen Harntrakt:

die Miktion unter hohen Drücken, Restharnbildung und ggf. vesikoureteraler Reflux können zur Dekompensation des oberen Harntrakts aufgrund des benignen Prostatasyndroms führen. Die pathologischen Zeichen der Dekompensation sind die Ausbildung einer beidseitigen Hydronephrose mit elongierten und abgeknickten Ureteren (Gartenschlauchharnleiter [Abb. postrenales Nierenversagen]). Dies ist ein Spätsymptom des BPS und geht meist mit einer chronischen Harnretention mit Inkontinenz einher. Die Folge der unbehandelten Dekompensation des oberen Harntrakts ist die Urämie und Tod durch Nierenversagen.

Die Entlastung des Harntrakts führt oft zu einer massiven Polyurie. Die Polyurie ist zum einen durch die Mehrausscheidung akkumulierter osmotisch aktiver Substanzen bedingt. Zum anderen führte die kontinuierliche Durchblutung des Nierenmarks ohne Urinfluss zu einer Aufhebung des kortikomedullären Gradientens.

Kofaktoren:

die Symptome des BPS werden durch Erkrankungen verschlimmert, welche zur Polyurie führen (Herzinsuffizienz, COPD, Diabetes...) oder die Detrusorkontraktion schwächen (Medikamente, neurologische Erkrankungen).




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Literatur

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  English Version: Definition and epidemiology of benign prostatic hyperplasia