Dr. med. Dirk Manski

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Spermiogramm (Ejakulatanalyse): Durchführung und Auswertung

Ein Spermiogramm ist bei unerfülltem Kinderwunsch (Infertilität) zur Planung der Kinderwunschbehandlung indiziert. Das Spermiogramm ist kein zuverlässiger Test für die Bestimmung der Fruchtbarkeit: Mann kann mit einem schlechtem Spermiogramm Vater werden, mit einem guten Spermiogramm ist trotzdem keine Vaterschaft garantiert. Eine vorzeitige andrologische Diagnostik kann bei ungeduldigen Paaren zu einer gewissen Überdramatisierung mit Gefahr der Übertherapie führen. Die Infertilität wird als das Ausbleiben einer Schwangerschaft trotz regelmäßigem ungeschützten Geschlechtsverkehr über 1 oder 2 Jahre definiert. Die Methodik und Normwerte folgen den Empfehlungen des Handbuchs der WHO von 2010.


Schematische Anatomie einer reifen Samenzelle. Das Spermiogramm beurteilt neben der Beweglichkeit und Anzahl der Samenzellen auch das Aussehen der Spermatozoen. Modifiziert nach einer Abb. von Mariana Ruiz Villarreal.
Abbildung Aussehen der Spermien im Spermiogramm

Technische Durchführung der Ejakulatanalyse

Ein vollständiges Auffangen des Samens ist elementar für eine korrekte Analyse eines Spermiogramms. Eine sexuelle Karenz von mindestens zwei Tagen wird vor der Untersuchung empfohlen.

Nach der Samengewinnung sollte das frische Sperma im Brutschrank bei 37 Grad Celsius gelagert werden. Nach 30–60 min wird die Konsistenz und das Aussehen des Spermas erfasst, nach kompletter Verflüssigung wird das Volumen und der pH-Wert gemessen. In einer ersten mikroskopischen Untersuchung wird die Morphologie und Mobilität der Spermatozoen beurteilt und die Verdünnung für die Spermienzählung festgelegt. Nach Verdünnung des Spermas und Zählung der Spermatozoenzahl können nun Ausstrichpräparate des Spermas für Färbungen hergestellt werden. Die WHO empfiehlt die Papanicolaou-, die Shorr- und die Diff-Quick-Färbung. In Abhängigkeit der erhobenen Befunde und klinischen Angaben werden Spezialuntersuchungen veranlasst (Vitalitätsprüfung, Entzündungsdiagnostik, immunologische Untersuchungen, Messung der Fruktose) oder ggf. eine Kryokonservierung durchgeführt.

Zusammenfassende Literatur und Leitlinie für die korrekte Durchführung eines Spermiogramms: (WHO laboratory manual, 2010).

Normalbefunde und Differentialdiagnose des Spermiogramms

Aussehen des Spermas:

Unmittelbar nach der Ejakulation hat der Samen i.d.R. eine halbfeste geronnene Konsistenz. Das Sperma verflüssigt sich innerhalb weniger Minuten bei Raumtemperatur oder im Brutschrank, einzelne Klumpen können länger bestehen und die Analyse erschweren. Normales flüssiges Sperma hat eine homogene, grau-undurchsichtige Farbe. Es ist durchsichtiger, wenn die Spermien-Konzentration sehr gering ist. Manche Krankheiten führen zu einer Farbänderung: rot-braun (Hämatospermie) oder gelb (Ikterus, Einnahme von Vitaminen oder Medikamente).

Konsistenz des Spermas:

Normal ist eine Verflüssigung des Spermas in maximal 60 min, danach beträgt die Fadenlänge des herabfallenden Tropfen von der Pipettenspitze unter 2 cm. Unzureichend liquifiziertes Sperma kann das weitere Spermiogramm verfälschen, durch wiederholtes Pipettieren soll das Sperma homogenisiert und durchmischt werden.

Volumen des Spermas:

Normales Spermavolumen: > 1,5 ml. Die WHO empfiehlt die Volumenbestimmung durch Wiegen des Auffangbehälters vor und nach Samengewinnung, als Spermadichte soll 1 g/ml angenommen werden.

Ursachen für eine Hypospermie (vermindertes Volumen) sind die Untersuchungsbedingungen, unvollständiges Auffangen, retrograde Ejakulation, zentrale Verschlüsse (Utriculuszysten, Fehlanlagen der Samenblasen), Hypogonadismus.

pH-Wert des Spermas:

Der normale pH-Wert des Spermas beträgt 7,2–8,0. Für die pH-Bestimmung soll das Sperma zuvor gemischt werden (Pipette), der Messbereich des pH-Papiers soll zwischen pH 6–10 liegen.

Ein pH-Wert <7,2 (bei Azoospermie und reduziertem Volumen) zeigt ausschließlich Prostatasekret und damit die Obstruktion oder Fehlbildung der Samenwege an. Ein pH-Wert >8,0 kann durch eine Infektion der Samenwege entstehen.

Mikroskopische Untersuchung des Nativpräparates:

Ein gut durchmischter Tropfen des Spermas (10 μl) wird auf einen Objektträger unter einem Deckglass (22×22 mm) mit 200–400facher Vergrößerung beurteilt.

Agglutinierung von motilen Spermatozoen:

Als Agglutination wird die Verklebung motiler Spermatozoen bezeichnet [Abb. Agglutination von Spermatozoen].

Agglutination von Spermatozoen: es werden nur bewegliche Spermatozoen beurteilt, welche Kopf-zu-Kopf, Kopf-zu-Schwanz, Schwanz-zu-Schwanz oder gemischt aneinander kleben können (von links nach rechts).
Abbildung Pyospermie: zahlreiche Leukozyten im Ejakulat.

Die Agglutination von Spermatozoen spricht für die Existenz von Anti-Spermatozoen-Antikörper. Die Agglutination ist von einer unspezifischen Adhärenz immobiler Spermatozoen aneinander oder motiler Spermatozoen an Epithelzellen oder Debris zu trennen. Das Ausmaß und die Art der Agglutinierung soll nach folgender Graduierung beurteilt werden:

Weitere Zellen:

Das Ejakulat kann neben Spermatozoen und Epithelzellen auch runde Zellen enthalten (DD Leukozyten oder unreife Spermatozoen). Die weitere Differenzierung der runden Zellen gelingt mit der Anfärbung der Peroxidase-positiven Zellen (Leukozyten) und erneuten Mikroskopie, es sollten weniger als 1 Million Leukozyten nachweisbar sein.

Beurteilung der Motilität von Samenzellen:

Die Motilität der Spermien sollte am besten direkt nach der Verflüssigung des Spermas beurteilt werden. Die Dicke der Flüssigkeitsschicht zwischen Objektträger und Deckglas sollte 20 μm betragen, dazu wird ein gut durchmischter Tropfen des Spermas (10 μl) auf einen Objektträger unter einem Deckglass (22×22 mm) mit 200–400facher Vergrößerung beurteilt. 200 Spermatozoen werden hinsichtlich der Motilität beurteilt und klassifiziert:

Die WHO-Anleitung (WHO, 2010) für die Durchführung eines Spermiogramms fordert, dass mindestens zweimal 200 Spermatozoen auf zwei Objektträger nach o.g. Technik ausgezählt werden, die Ergebnisse sollten vergleichbar sein. Die Ergebnisse beider Untersuchungen werden gemittelt und in Prozent angegeben. Untere Grenzwerte für die Motilität: 40% motile Spermien (PR + NP), weiterhin mindestens 32% progressive Motilität.

Als Asthenozoospermie defininiert ist ein Anteil an progressiv motilen Spermatozoen unter 32%. Ursachen für eine Immobilität (Asthenozoospermie) sind Viskosipathien (fehlende Verflüssigung), Autoantikörper, Entzündungen, morphologisch veränderte Spermatozoenschwänze. Ursachen für eine falsch-negative Immobilität sind nicht frisches Sperma, Kälte, Seifenrückstände oder die Verwendung von Kondomen.

Beurteilung der Vitalität:

Bei über 40% immobiler Spermien sollte eine Vitalitätsprüfung mit einer Eosin-Färbung durchgeführt werden, tote Spermien nehmen den Farbstoff innerhalb einer Minute auf. In der Mikroskopie zeigt sich dann eine Rotfärbung der Spermienköpfe, nicht gefärbte Spermien gelten als vital. Für die Untersuchung sollten 200 Spermien klassifiziert werden, der Normwert für vitale Spermien beträgt >58%. Als interne Kontrolle sollte der Anteil toter Spermien nicht über dem Anteil der immobilen Spermien liegen. Ein Anteil toter Spermien über 42% (Nekrozoospermie) ist ein Hinweis auf Nebenhodenerkrankungen oder Entzündungen.

Anzahl der Samenzellen:

Die Spermatozoenanzahl (total sperm count) korreliert mit der Zeit eine Schwangerschaft zu erreichen (time to pregnancy) und mit der Schwangerschaftsrate. Nach Bestimmung der Spermatozoenkonzentration im Hämozytometer (es sollen zweimal 200 Spermatozoen ausgezählt werden), wird mit Hilfe des Samenvolumens die Spermatozoenanzahl ausgerechnet. Normwerte: >39×106 Spermatozoen absolut.

Oligozoospermie:

<15×106 pro ml oder <39×106 Spermatozoen absolut.

Azoospermie:

Fehlender Nachweis von Spermien: Eine Azoospermie darf nur nach Zentrifugation des Ejakulates und Beurteilung des Sedimentes diagnostiziert werden.

Morphologie der Samenzellen:

Die Morphologie der Spermatozoen wird bei 1000facher Vergrößerung nach Färbung von getrockneten Ausstrichpräparaten des Spermas beurteilt. Kriterien für die Klassifikation von normaler und pathologischer Morphologie siehe Abb. Kopfdefekte, Mittelstückdefekte und Hauptstückdefekte.

Die normale Kopfform (links) ist glatt begrenzt und oval. Das Akrosom ist gut abgrenzbar, hat keine Vakuolen und nimmt etwas 40–70% des Kopfvolumens ein (WHO 2010). Mögliche Kopfdefekte von Spermatozoen (von links nach rechts): zu langgezogen, birnenförmig, amorph (mit Vakuolen im Akrosom), zu klein und zu rund, zu kleine oder fehlende Akrosomregion.
Abbildung normal Kopfform der Spermatozoen und mögliche Kopfdefekte bei Teratozoospermie.
Das normale Mittelstück (links) ist schmal, regelmäßig und etwa so lang wie der Kopf. Die Hauptachse von Kopf und Mittelstück sollten gleich sein. Das restliches Zytoplasma am Mittelstück sollte unter 30% der Kopfgröße betragen (WHO 2010). Mögliche Mittelstückdefekte (von links nach rechts): asymmetrisches Ansatz am Kopf oder unterschiedliche Achsen von Kopf und Hals, Mittelstück zu dick, Mittelstück abgeknickt, restliches Zytoplasma am Mittelstück >30%.
Abbildung normales Mittelstück der Spermatozoen und mögliche Mittelstückdefekte bei Teratozoospermie.
Das normale Hauptstück (Schwanz) sollte dünner als das Mittelstück sein, das Kaliber über die Länge gleich bleiben und ungefähr die 10fache Kopflänge lang sein (WHO 2010). Mögliche Hauptstückdefekte (von links nach rechts): zu kurz, abgeknickt, sehr stark gekrümmt, mehrfache Schwänze.
Abbildung normales Hauptstück (Schwanz) der Spermatozoen und mögliche Hauptstückdefekte bei Teratozoospermie.

Morphologisch normale Spermatozoen in über 25% sind selten. Eine Teratozoospermie (verminderter Anteil normal konfigurierter Spermien) besteht bei weniger als 4% normale Spermien. Fakultativ kann die Lokalisation des Defektes mit angegeben werden: % Kopfdefekte, % Mittelstückdefekte, % Hauptstückdefekte und % Spermien mit exzessiven Zytoplasma.

Entzündungsdiagnostik:

Hinweise für eine Infektion der Samenwege liefern zahlreiche sichtbare Leukozyten im gefärbten Ausstrichpräparat [Abb. Pyospermie], die Bestimmung der peroxidase-positiven Zellen im Spermiogramm (normal <1 × 106 Zellen pro ml), Elastasekonzentration (normal <250 ng/ml), eine positive Spermienkultur und ein Keimnachweis in der 4 Gläser-Probe (Probe 3 oder 4). Die Bedeutung der Entzündungsdiagnostik ist umstritten.


Pyospermie: zahlreiche Leukozyten im Ejakulat. Mit freundlicher Genehmigung, A. Mayr, Augsburg.
Abbildung Pyospermie: zahlreiche Leukozyten im Ejakulat.

Pyospermie:

Pyospermie ist definiert als >106 Leukozyten/ml Ejakulat. Eine Harnwegsinfektion sollte ausgeschlossen sein. Der Nachweis von >103 Bakterien/ml Ejakulat spricht für eine signifikante Bakteriospermie.

Immunologische Untersuchungen:

Hinweis für Spermatozoenantikörper ist die Agglutination von Spermatozoen im Nativpräparat (s.o.) und ist eine Indikation für weitere immunologische Untersuchungen. Spermatozoenantikörper (Anti-sperm antibodies, ASA) können durch immunologische Nachweise wie MAR-Test (Mixed-antiglobulin-reaction Test) oder Immunobeads-Test nachgewiesen werden. Ausführliche Darstellung der Technik siehe aktuelles Manual der WHO, 2010. Der Test ist pathologisch, wenn mehr als 50% der beweglichen Spermien MAR-positiv sind. Die diagnostische Bedeutung des MAR-Tests ist umstritten, v.a. weil auch effektive therapeutische Optionen fehlen.

Fruktose im Sperma:

Die normale Fruktosekonzentration im Sperma beträgt >13 mmol/l im Seminalplasma (Überstand nach Zentrifugation des flüssigen Spermas). Erniedrigte Werte der Fruktose im Spermiogramm sind bei Verschluss der ableitenden Samenwege zu erwarten.

Qualitätssicherung:

Die Bestimmung der Spermienkonzentration, Spermienmotilität und Spermienmorphologie unterliegen nach Vorgaben der Rili-BÄK internen wie externen Qualitätskontrollen.








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Literatur

World Health Organisation
Cooper, T. G. (ed.) WHO laboratory manual for the examination and processing of human semen
WHO Press, Geneva, Switzerland, 2010

  English Version: semen analysis