Dr. med. Dirk Manski

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Urinkultur: Keimzahl, Identifizierung der Bakterien und Antibiogramm

Indikationen für eine Urinkultur

Bei asymptomatischen Patienten:

Bei symptomatischen Patienten:

Uringewinnung:

Das Risiko einer bakteriellen Kontamination beträgt bei nichtinvasiver Uringewinnung bis zu 40%, je nach Geschlecht, Alter und Compliance. Mittel der ersten Wahl für die Uringewinnung ist die sterile Uringewinnung im Rahmen von Katheterisierungen (Einmalkatheterurin), Interventionen oder durch eine suprapubische Blasenpunktion. Ansonsten wird der Urin mittels Mittelstrahlurin und bei Säuglingen mittels Klebebeutel gewonnen.

4 Gläser-Probe:

Bei V. a. chronische Prostatitis werden 4 Portionen einer Miktion getrennt gesammelt und mikrobiologisch untersucht (Sedimentmikroskopie und Kultur).

  1. Die ersten 10 ml Urin (Harnröhrenkeime)
  2. Mittelstrahlurin (Harnblasenkeime)
  3. Prostataexprimat (Prostatakeime): Normalerweise unter 10 Leukozyten pro Gesichtsfeld in hoher Vergrößerung.
  4. Die ersten 10 ml Urin nach Prostatamassage (Prostatakeime)

Aufgrund des hohen Aufwandes und der Kosten hat sich der Zwei-Gläser-Test durchgesetzt:

  1. Mittelstrahlurin (Harnblasenkeime)
  2. Die ersten 10 ml Urin nach der Prostatamassage (Prostatakeime)

Probentransport:

Die Verarbeitung von Nativurin innerhalb von 2 h ist optimal, bei längeren Transportzeiten muss der Urin gekühlt werden oder in speziellen Monovetten (Stabilisator Borsäure) gelagert werden.

Quantitative Urinkultur

Semiquantitative Keimzahlbestimmung:. Zunächst werden 10 μl Urin mit einer kalibrierten Öse senkrecht über die Hälfte der Platte ausgestrichen, anschließend wird mit der gleichen Öse ein Verdünnungsausstrich von oben nach unten durchgeführt.
Abbildung Semiquantitative Keimzahlbestimmung bei der Urinkultur

Die Keimzahl wird mit Hilfe einer quantitativen Urinkultur bestimmt. Die am häufigsten verwendete Technik benutzt spezielle kalibrierte Ösen, mit deren Hilfe werden 10 μl Urin auf einer Agarplatte (z.B. CLED-Agar) ausgestrichen [Abb. quantitative Urinkultur]. Die Platten werden 24 h bei 36 Grad Celsius bebrütet. Eine Kolonie entspricht 102 KBE/ml, 10 Kolonien 103 KBE/ml, 100 Kolonien 104 KBE/ml u. 1000 Kolonien 105 KBE/ml. Die Keimzahl wird semiquantitativ durch Vergleich mit standardisierten Abbildungen bestimmt. Die Keimzahlbestimmung mit Hilfe von fertigen Nährbodenträgern (Urintauchkultur wie z.B. Urikult) ist von geringer Genauigkeit und sollte die Ausnahme bleiben.

CLED-Agar:

Dieser unselektive Agar wird häufig für die quantitative Urinkultur verwendet, er ermöglicht das Wachstum von allen typischen Bakterien für eine Harnwegsinfektion. CLED steht für Cystine Lactose Electrolyte Deficient Agar, der niedrige Elektrolytgehalt verhindert das Schwärmen von Proteus. Laktosefermentierende Bakterien bilden gelbe Kolonien und färben den Agar gelb, Nonfermenter bilden blaugraue Kolonien und der Agar bleibt bläulich gefärbt [Abb. Mischkultur].

Wachstum einer Mischkultur aus laktosefermentierenden Bakterien (gelbe Kolonien) und Nonfermentern (blaue Kolonien) auf CLED-Agar. Public domain Abbildung von Microrao, JJMMC, Davangere, Karnataka, India.
Abbildung Wachstum einer Mischkultur von laktosefermentierenden Bakterien (gelbe Kolonien) und Nonfermentern (blaue Kolonien) auf CLED-Agar

Kass-Zahl:

105 Bakterien pro ml in einem sauber gewonnenen Mittelstrahlurin sind ein Zeichen für eine klinisch signifikante Harnwegsinfektion. Bei hoher Urinausscheidung oder steriler Uringewinnung können auch kleinere Bakterienzahlen ein signifikanter Hinweis auf eine Harnwegsinfektion sein.

Identifizierung der Bakterien in einer Urinkultur

Eine Identifizierung der Bakterien ist nur dann sinnvoll, wenn kein gemischtes Bakterienwachstum (mehr als zwei Keime) vorliegt. Gemischtes Bakterienwachstum spricht für eine Kontamination während der Uringewinnung und die Identifizierung wird nicht durchgeführt. Die Urinkultur sollte dann neu abgenommen werden. Die korrekte Identifizierung der Bakterien gelingt nur dann sicher, wenn die Kolonien auf u.g. Agarplatten vereinzelt wachsen. In konfluenten Kolonien können verschiedene Keime unbemerkt gemischt wachsen. Im Zweifelsfall muss nochmals ein fraktionierter 3-Ösen-Ausstrich zur Vereinzelung der Kolonien durchgeführt werden [Abb. 3-Ösen-Ausstrich].


3-Ösen-Ausstrich zur Vereinzelung von Bakterienkolonien. Im ersten Schritt (1) wird eine Kolonie ausgestrichen, zwischen den weiteren Schritten (2 und 3) wird die Öse gewechselt oder über einer Flamme sterilisiert.
Abbildung 3-Ösen-Ausstrich

Idealerweise werden bereits bei der quantitativen Urinkultur zusätzlich folgende Selektivnährböden beimpft:

MacConkey-Agar:

Der MacConkey-Agar ist ein Selektivnährböden für das bevorzugte Wachstum gramnegativer Bakterien. Lakosefermentierende Bakterien färben sich durch den enthaltenen Indikator rot-violett [Abb. MacConkey-Agar], Nonfermenter bilden graue Kolonien.


Wachstum gramnegativer Bakterien auf MacConkey-Agar. Die Fermentation von Lactose wird durch die Rotfärbung der Kolonien angezeigt. Public domain Abbildung von Medimicro, http://commons.wikimedia.org
Abbildung Wachstum von gramnegativen Bakterien auf MacConkey-Agar.

Columbia-Blut-CNA-Agar:

Der Columbia-Blut-CNA-Agar ist ein Selektivnährmedium für das bevorzugte Wachstum grampositiver Bakterien (v.a. Streptokokken, Enterokokken und Staphylokokken). Der Agar enthält intakte Erythrozyten und die Antibiotika Colistin (Polymyxin E) und Nalidixinsäure, die das Wachstum gramnegativer Bakterien hemmen. Die Bakterien können weiter nach ihrem Hämolyseverhalten eingegrenzt werden: α-Hämolyse (Vergrünung durch Oxidation des Hämoglobins), β-Hämolyse (Aufhellung durch Lyse der Erythrozyten) und γ-Hämolyse (unveränderte Agardichte) [Abb. β-Hämolyse im Columbia-Blut-CNA-Agar].

Deutliche β-Hämolyse (Lyse der Erythrozyten im Agar) durch Streptokokken auf Columbia-CNA Agar. Mit freundlicher Genehmigung Nathan Reading, Halesowen, UK, http://commons.wikimedia.org.
Abbildung β-Hämolyse (Lyse der Erythrozyten im Agar) durch Streptokokken

Sabouraud-Dextrose-Agar:

Sabouraud-Dextrose-Agar ist ein Selektivnährmedium, auf dem bevorzugt Hefen und Schimmelpilze wachsen.

Indentifizierung der Bakterienart:

Erste Hinweise auf die Bakterienart einer Urinkultur ergeben sich durch das Wachstumsmuster auf den oben genannten Agarplatten und mit Hilfe einfacher chemischer Testreaktionen:


Indentifizierung einer gramnegativen Bakterienart (bei Wachstum auf MacConkey-Agar).
Abbbildung Indentifizierung der gramnegativen Bakterienart
Indentifizierung einer grampositiven Bakterienart (bei Wachstum auf Columbia-Blut-CNA-Agar).
(1) Die Unterscheidung zwischen Staphylococcus epidermidis (kein Krankheitswert) und Staphylococcus saprophyticus gelingt mit Hilfe des Novobiocin-Tests auf MH-Agar. Staphylococcus saprophyticus ist resistent gegen Novobiocin und es entsteht kein signifikanter Hemmhof.
(2) Weiter Differenzierung der Streptokokken mit Bacitracin (Streptococcus pyogenes ist sensibel gegenüber Bacitracin und es entsteht ein signifikanter Hemmhof) und Latex-Agglutinationstest.
Abbbildung Indentifizierung der gramnegativen Bakterienart

Bakterienidentifizierung mit Hilfe der "Bunten Reihe"

Bakterien können mit Hilfe spezieller Testkits (sogenannte bunte Reihe) weiter differenziert werden. Je nach biochemischen Eigenschaften (Oxidase positiv/negativ, Laktosefermentation, grampositiv) werden unterschiedliche Testkits verwendet. Eine definierte Menge von Einzelkolonien einer Reinkultur wird in NaCl resuspendiert. Die Bakterienmenge wird anhand der Trübung (McFarland Standard 0,5) oder genauer mit Hilfe der Photometrie bestimmt. Die Bakterienlösung wird in das Testkit pipettiert und und über Nacht im Brutschrank inkubiert. Gleichzeitig wird eine Kontrollplatte mit der Bakteriensuspension beimpft, um die Reinheit des Inokulums zu überprüfen. Die bunte Reihe nutzt die unterschiedlichen biochemischen Leistungen der Bakterien, diese werden mit Hilfe von Farbreaktionen für den Untersucher sichtbar. Untersucht werden unter anderem Enzymaktivitäten (Oxidase, Katalase, Laktase, Gärung, Urease), Mobilität oder die Verwendung von Citrat als Energielieferant. Ein häufig verwendetes System ist API (Analytic Profile Index) oder das VITEK-System, das von der Firma bioMérieux vertrieben wird. Eine Alternative ist das RAS-ID System von der Firma BIO-RAD.

Interne Qualitätssicherung:

Die Methodik der Bakterienidentifizierung muss mit Hilfe von definierten Referenzkulturen (Kontrollstämme) bei Chargenwechsel überprüft werden. Die Referenzkulturen sind in kryokonservierter Form käuflich erhältlich, mindestens monatlich müssen frische Stammkulturen daraus hergestellt werden. Die daraus gezogene Gebrauchskultur darf längstens eine Woche verwendet werden. Bei jeder Identifizierung muss zwingend die Inokulumsreinheit durch eine Kontrollplatte überprüft werden. Es ist eine Statistik über die Häufigkeit der nachgewiesenen Erreger zu führen (RiliBÄK 2014).

Externe Qualitätssicherung:

Halbjährliche Teilnahme an Ringversuchen.

Prüfung auf antibakterielle Hemmstoffe

Für die Prüfung auf antibakterielle Hemmstoffe werden Agarplatten verwendet, welche Sporen von Bacillus subtilis enthalten. Filterplättchen mit 10 μl Urin werden auf die Agarplatten gelegt und 24 h bei 36 Grad Celsius bebrütet, die Ausbildung von Hemmhöfen weist auf antibakterielle Hemmstoffe hin.

Resistenzbestimmung oder Antibiogramm

Eine definierte Menge von einzelnen Kolonien einer Reinkultur wird in NaCl resuspendiert. Die Bakterienmenge wird anhand der Trübung abgeschätzt (McFarland Standard 0,5) oder genauer mit Hilfe der Photometrie bestimmt. Die Bakteriensuspension wird mit Hilfe eines Wattetupfers auf einer Müller-Hinton Agarplatte lückenlos ausgestrichen. Ziel ist ein gleichmäßiges und konfluentes Wachstum der Bakterienkolonien. Zusätzlich wird von der Bakteriensuspension eine Kontrollplatte beimpft, um die Inokulumsreinheit zu überprüfen. Filterplättchen mit den gängigen Antibiotika (Agardiffusionstest) werden auf die Müller-Hinton Agarplatte gelegt und die Platten werden 24 h bei 36 Grad Celsius bebrütet. Das Antibiotikum diffundiert aus dem Filterplättchen in den Agar und bildet in Abhängigkeit der Empfindlichkeit einen unterschiedlich großen Hemmhof.

EUCAST:

Die Resistenztestung ist in Europa durch EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing) standardisiert. Auf der Internetseite https://www.eucast.org werden detailliert die Technik der Resistenztestung und die Durchmesser der Hemmhöfe für die Auswertung der Sensibilität und Resistenz publiziert und jährlich aktualisiert. Für die Resistenzbestimmung gibt es auch mehrere kommerzielle Systeme, die das Verfahren zu vereinfachen (z.B. RAS-ID System von der Firma BIO-RAD oder VITEK-System von bioMérieux).

Interne Qualitätssicherung:

Die Methodik der Resistenztestung muss mit Hilfe von definierten Referenzkulturen (Kontrollstämme) wöchentlich und bei Chargenwechsel überprüft werden. Die Referenzkulturen sind in kryokonservierter Form käuflich erhältlich, mindestens monatlich müssen frische Stammkulturen daraus hergestellt werden. Die daraus gezogene Gebrauchskultur darf längstens eine Woche verwendet werden. Es ist eine Statistik über die Empfindlichkeit der nachgewiesenen Erreger gegenüber Antibiotika zu führen (RiliBÄK 2014).

Externe Qualitätssicherung:

Halbjährliche Teilnahme an Ringversuchen.








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Literatur Urinkultur

  English Version: Urine culture and 24-hour urine