Dr. med. Dirk Manski

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Physiologie der Nieren: tubuläre Rückresorption


Zusammenfassende Literatur Anatomie Nieren: (Benninghoff, 1993) (Schmidt und Thews, 1995).

Tubuläre Rückresorption von Natrium, Chlorid und Wasser

99% des glomerulären Filtrats und 99% des gefilterten Natriumchlorids werden im tubulären Anteil des Nephrons wieder reabsorbiert (rückresorbiert). Die Reabsorption ist ein energieverbrauchender Prozess, der Bedarf steigt linear mit der NaCl-Resorption. Die treibende Kraft für die Reabsorption wird von der basolateralen Na-K-ATPase aufgebracht. Sie transportiert drei Natriumionen aus der Zelle und zwei Kaliumionen in die Zelle, die dafür benötigte Energie wird durch die Hydrolyse von ATP erzeugt.

Im proximalen Tubulus werden große Mengen gegen kleine Konzentrationsgradienten transportiert. Die Interzellularräume sind undicht und ermöglichen die parazelluläre Resorption von Wasser und darin enthaltende Elektrolyte (solvent drag). Der distale Tubulus ist befähigt, gegen große Konzentrationsgradienten zu arbeiten, die Interzellularräume sind dicht.

Resorption von Natrium, Chlorid und Wasser:

Proximaler Tubulus und absteigender Teil der Henle-Schleife:

Im proximalem Tubulus werden zwei Drittel des primären Urins mit Elektrolyten rückresorbiert. Elektrolytreabsorption ist begleitet von Chlorid- und Wasserresorption, da der proximale Tubulus ein undichtes Epithel ist und parazelluläre Transportvorgänge zulässt (solvent drag). Der solvent drag entsteht durch die Konzentrationsunterschiede zwischen Tubuluslumen und Niereninterstitium.

Die Kraft für die Reabsorption von Natrium entsteht durch die basolaterale Na-K-ATPase. Auf der luminalen Seite des proximalen Tubulusepithel existieren Membranrezeptoren für die Reabsorption von Natrium über Symporter (Ko-Transport mit Glukose, Galaktose, Phosphat oder Aminosäuren) oder Antiporter (Ko-Transport mit Protonen). Die Reabsorption von HCO3 ist an die Rückresorption von Natrium und Sekretion von Protonen mit Hilfe einer luminalen und intracellulären Carboanhydrase gebunden.

Die Chlorid-Rückresorption geschieht v.a. über den solvent drag (s.o.), weiterhin existieren zusätzliche transzelluläre Transportwege für Chloridionen in der luminalen und basolateralen Membran.

Aufsteigender Teil der Henle-Schleife:

Natirum wird mit dem Na-K-2Cl-Kotransporter rückresorbiert, ein passiver Wasserstrom mit den Elektrolyten wird verhindert und verursacht den hohen osmotischen Druck im medullären Niereninterstitium. Der Urin wird hypoton. Furosemid hemmt den Na-K-2Cl-Kotransporter.

Distaler Tubulus:

Thiazid-sensitive Transporter sorgen für aktiven Na-Transport, in der Folge wird der Urin hypotoner.

Sammelrohre:

Die Permeabilität des Sammelrohrs für Wasser führt zu einer Konzentrierung des Urins bis auf das fünffache der Osmolarität des Plasmas. Die verantwortliche Kraft ist der hohe osmotische Druck im medullären Niereninterstitium.

Die Permeabilität der Sammelrohre wird durch ADH gesteuert (antidiuretisches Hormon, Vasopressin, siehe auch Abschnitt Urinkonzentrierung). ADH führt (über V2-Rezeptoren und Einbau von Aquaporin in die Zellmembran) zu einer vermehrten Permeabilität des Sammelrohrs für Wasser. In der Abwesenheit von ADH ist die Permeabilität des Sammelrohres für Wasser gering, der Urin bleibt hypoton. Ein Mangel an ADH führt zu Hyponatriämie und Hypervolämie. ADH kann 10% des Primärharnvolumens kontrollieren und somit die Diurese zwischen 1–20 l/d regulieren

Natrium wird zusätzlich in den Sammelkanälen über luminale Natriumkanäle rückresorbiert. Die Energie für die Natriumrückresorption wird von der basolateralen Natrium-Kalium-Pumpe geliefert. Aldosteron reguliert die Natrium- und Wasserrückresorption sowie die Kaliumsekretion über die Expression der Natriumkanäle und der basolateralen Natrium-Kalium-Pumpe. Die luminalen Natriumkanäle können durch Amilorid, ein kaliumsparendes Diuretikum, gehemmt werden.

Kaliumresorption der Nieren:

60–70 % des filtrierten Kaliums werden im proximalen Tubulus absorbiert. Es existieren dort keine spezifischen K-Transporter, die Resorption gelingt parazellulär mit der Wasserresorption (solvent drag). Weitere 25–35 % werden in der Henle-Schleife mit dem Na-K-2Cl-Kotransport-Mechanismus absorbiert.
5–15 % des filtrierten Kaliums erreichen die distalen Nephronabschnitte. Je nach Stoffwechsellage und aldosteronabhängig existieren nun Möglichkeiten der Kaliumresorption oder Ausscheidung.

Kalziumresorption der Nieren:

im proximalen Tubulus werden 60 % des Kalziums absorbiert, wie beim Kalium parazellulär mit der Wasserresorption (solvent drag). Zusätzlich existieren aktive Transportmechanismen.



Phosphatresorption der Nieren:

Phosphat wird unbehindert filtriert, 80–90 % des Phosphates werden im proximalen Tubulus absorbiert. Bei hohen Phosphatkonzentrationen im Serum wird eine Sättigung der Rückresorption erreicht und Phosphat wird bis zur Normalisierung der Konzentration ausgeschieden.
Parathormon hemmt die Resorption und fördert somit die Phosphatausscheidung. Eine Erhöhung der Phosphatkonzentration im Serum führt zu einer vermehrten Calciumphosphatablagerung im Knochen und zu einer Verminderung der Serumkalziumkonzentration. Dies ist der Stimulus für die Parathormonfreisetzung, führt zur Phosphatausscheidung und Normalisierung der Serumkalziums.

Protonenausscheidung und Säure-Basen-Gleichgewicht:

die Ausscheidung von Protonen über die Nieren ist ein wichtiges Element für den Säure-Basen-Haushalt und kann über die Phosphatausscheidung, Ammoniumausscheidung und Bikarbonatresorption reguliert werden.

Phosphatausscheidung der Nieren:

Phosphat dissoziiert im Blut zu 80 % in HPO42–. Im Tubulus trifft dieses sekundäre Phosphat auf ein Proton und es entsteht H2PO4. Das nun gebildete primäre Phosphat kann nicht mehr absorbiert werden und mit Hilfe der Phosphatausscheidung wird ein Proton ausgeschieden.

Hydrogen- und Bikarbonattransport der Nieren:

Glomerulär filtriertes Bikarbonat wird im proximalen Tubulus reabsorbiert. Aus dem filtrierten HCO3 und sezernierten H+ aus der tubulären Zelle (Na-H-Austauscher) entsteht mit Hilfe der luminalen Carboanhydrase H2CO3, welches zu CO2 und H2O zerfällt. Das CO2 passiert die Tubuluszellmembran und bindet in der Tubuluszelle mit OH (Überbleibsel der H+-Sekretion) zu HCO3. Durch einen Na+/HCO3-Kotransport an der basalen Membran wird das Bikarbonat dem Kreislauf wieder zugeführt. Im Falle einer Alkalose kann Bikarbonat zum Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts ausgeschieden werden.

Ammoniumausscheidung der Nieren:

die Ammoniumausscheidung kann im Falle einer Azidose auf das 10fache gesteigert werden. NH3 entsteht in der Niere durch Deaminidierung von Glutamin und kann durch die Tubuluszellen in das Lumen diffundieren. Im Tubuluslumen entsteht mit einem Proton NH4+, welches ausgeschieden wird.

Glukoseresorption der Nieren:

die Glukoseresorption wird zu 100 % im proximalen Tubulus mit Hilfe des Natrium-Glukose-Kotransporters erledigt. Bei zu hoher Glukosekonzentration im Serum unterliegt dieser Mechanismus einer Sättigung und eine Glukosurie resultiert. Die Schwellenkonzentration für diese Sättigung liegt bei 10 mmol/l (180 mg/dl) Glukose im Serum.

Aminosäurenresorption der Nieren:

verschiedene Natrium-Aminosäuren-Kotransporter sind für die Rückresorption im proximalen Tubulus verantwortlich. Bisher wurden sieben verschiedene Transporter beschrieben: für saure Aminosäuren (Glu, Asp), basische Aminosäuren (Arg, Lys, Orn) und fünf weitere Systeme für neutrale Aminosäuren. Es gelten ähnliche Prinzipien wie bei der Glukoseresorption hinsichtlich der Sättigung der Transportkapazitäten. Bei Ausfall einzelner Transportsysteme, genetisch bedingt oder durch Nebenwirkungen von Medikamenten, entstehen selektive Aminoazidurien (Cystinurie, Hartnup-Krankheit, De-Toni-Fanconi-Syndrom).

Harnstofftransport der Nieren:

Etwa 50 g Harnstoff werden pro Tag filtriert, davon werden etwa 25–40 g mit dem Urin ausgeschieden. Durch Reabsorption (proximaler Tubulus, Sammelrohre) und aktiver Sezernierung (Henle-Schleife) zirkuliert Harnstoff zwischen Lumen des Nephrons und Niereninterstitium; dies ist ein wichtiges Element der Harnkonzentrierung.

Harnstoff wird ungehindert filtriert, 50 % werden im proximalen Tubulus mit der Wasserresorption (solvent drag) wieder aufgenommen. Im dünnen aufsteigenden Teil der Henle-Schleife wird Harnstoff sezerniert, sodass im distalen Tubulussystem erhebliche Harnstoffmengen vorhanden sind. In den Sammelrohren wird Harnstoff zusammen mit Wasser reabsorbiert. Dieser Mechanismus ermöglicht die Ausbildung eines hochosmolaren Harnstoffgradienten im Niereninterstitium, welcher für die Harnkonzentrierung der Nieren eine entscheidende Bedeutung hat. Wird die Resorption von Harnstoff (und Wasser) im Sammelrohr unterbunden, sinkt die Osmolarität des Nierenmarks und die Konzentrierungsmechanismen brechen zusammen.

Harnsäuretransport der Nieren:

die Harnsäure wird ungehindert filtriert und im proximalen Tubulus teilweise absorbiert, aber auch sezerniert. Um die Löslichkeit von Na-Urat im weiteren Verlauf der Urinkonzentrierung zu ermöglichen und die Ausbildung von Ca-Urat-Kristallen zu verhindern, existieren verschiedene Calcium-Komplexbildner wie Zitrat, Mucopolysaccharide und Ca-bindende Proteine.

Mechanismen der Harnkonzentrierung der Nieren

Bei Wassermangel kann die menschliche Niere den Urin bis auf das 4fache der Plasmaosmolarität von 290 mosmol/l konzentrieren. Bei kompletter Antidiurese beträgt das tägliche Urinvolumen 0,5–1 l. Ein komplexes Gegenstromsystem der Henle-Schleifen, Vasa recta und Sammelrohren erzeugen ein hypertones Niereninterstitium von 1200 mosmol/l, die eine Harnkonzentrierung bis auf diese Werte ermöglicht.

Gegenstromsystem der Nieren:

der aktive Na+ und Cl-Transport in den wasserdichten Henle-Schleifen führt zu einer Zunahme der Osmolarität des Niereninterstitiums.
Ein weiterer Mechanismus der hohen Osmolarität des Nierenmarkes ist die Harnstoffresorption der distalen Sammelrohre, welche gegen einen sehr hohen Gradienten den Harnstoff in das Niereninterstitiums befördern. Von dort findet eine Harnstoffdiffusion in Richtung Kortex statt, so daß im Nierenmark eine allmähliche Zunahme der Osmolarität in Richtung Papillen entsteht.
Die Blutversorgung ist spärlich und ebenfalls nach dem Prinzip des Gegenstromsystems ausgelegt, sodass diese hohe Osmolarität nicht ausgewaschen wird. Die Osmolarität in den Vasa recta nimmt zur Nierenpapille hin zu und beim Abstrom in Richtung Kortex ab. Im Prinzip zirkulieren die osmotisch aktiven Substanzen im Niereninterstitiums kontinuierlich. Im Falle einer Steigerung der Nierendurchblutung verliert das Niereninterstitium vermehrt osmotisch aktive Substanzen. Es resultiert eine sogenannte Druckdiurese, da dies vor allem bei einer art. Blutdrucksteigerung beobachtet wird.

Antidiuretisches Hormon (ADH)

Antidiuretisches Hormon (ADH)oder auch Vasopressin genannt, ist ein Peptidhormon aus neun Aminosäuren, welches in den Nervenzellen des Hypothalamus produziert und im Hypophysenhinterlappen gespeichert und in das Blut abgegeben wird. ADH wirkt über Vasopressin-Rezeptoren (V1A, V1B, V2).

Antidiuretische Funktion des ADH:

Auslöser für die ADH-Freisetzung ist ein hypertones Plasma, registriert durch Osmorezeptoren im Hypothalamus oder ein Volumenmangel, registriert durch Barozeptoren im rechten Vorhof und Aorta. ADH führt (über V2-Rezeptoren und Einbau von Aquaporin in die Zellmembran) zu einer vermehrten Permeabilität des Sammelrohrs für Wasser, dies führt zu einer Konzentrierung des Urins bis auf das fünffache der Osmolarität des Plasmas. Die verantwortliche Kraft ist der hohe osmotische Druck im medullären Niereninterstitium. Ohne ADH ist die Permeabilität des Sammelrohres für Wasser gering, der Urin bleibt hypoton.

Vasopressin-Rezeptorantagonisten wie Tolvaptan sind für die Therapie der Hyponatriämie im Rahmen der Herzinsuffizienz, Leberinsuffizienz oder bei dem Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion zugelassen.

Vasokonstriktion durch ADH:

Durch Aktikvierung von V1A-Rezeptoren in Arteriolen, dies wirkt der Hypotension aufgrund von Volumenmangel entgegen.

Weitere Funktionen von ADH:

Stressreaktion, Freisetzung von ACTH, Thrombozytenaktivierung, Steuerung der zirkadianen Rhythmik.





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Literatur Nieren

Benninghoff 1993 BENNINGHOFF, A.: Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen.
15. Auflage.
Mnchen; Wien; Baltimore : Urban und Schwarzenberg, 1993

Schmidt, R. F. & Thews, G. T. (ed.) Physiologie des Menschen
26. Auflage
Berlin; Heidelberg; New York: Springer, 1995

  English Version: Physiology of the kidneys: tubular reabsorption