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Von Dirk Manski

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Jodhaltige Kontrastmittel: Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Dosierung

Einteilung der jodhaltigen Kontrastmittel

Kontrastmittel (KM) verbessern die Darstellung von Strukturen und Funktionen des Körpers bei der radiologischen Bildgebung.

Hochosmolare jodhaltige Kontrastmittel:

Erste Generation der Kontrastmittel, welche heute in der Regel nicht mehr intravenös angewendet werden. Der monomere ionische Aufbau mit Dissoziation von Natrium und Methylglucamin führte zu einer hohen Osmolarität vom etwa fünf- bis siebenfachen der Serumosmolarität (engl. high osmolar contrast medium = HOCM). Bei oraler Gabe wirkt das Kontrastmittel wie ein osmotisches Abführmittel. Beispiele: Amidotrizoat in unterschiedlichen Konzentrationen (Gastrografin, Urografin) für die Darstellung des Magen-Darm-Trakts, retrograde Pyelographie oder Zystographie.

Niedrigosmolare jodhaltige Kontrastmittel:

Nichtionische moderne Kontrastmittel mit reduzierter Osmolarität von etwa 300 bis 800 mOsmol/kg (engl. low osmolar contrast medium = LOCM). Die weitere Einteilung erfolgt nach Molekülstruktur (monomer/dimer).

Nichtionische Kontrastmittel:

Monomere, nichtionische jodhaltige Kontrastmittel bestehen aus einem einzelnen triiodierten Benzolring mit hydrophilen, nicht ionisierbaren Seitenketten, die das Molekül wasserlöslich machen: Iohexol (Omnipaque), Iopamidol (Isovue), Ioversol (Optiray), Iopromid (Ultravist).

Dimere Kontrastmittel:

Dimere Kontastmittel bestehen aus zwei jodierten Benzolringen. Iodixanol (Visipaque) gilt als gut verträglich und wird bei Risikopatienten eingesetzt.

Kontrastmittel Iohexol Strukturformel

Wirkmechanismus

Jodhaltige Kontrastmittel absorbieren aufgrund der hohen Ordnungszahl des Jods Röntgenstrahlung deutlich stärker als Blut, Weichteilgewebe oder Urin. Nach intravasaler Gabe werden die Blutgefäßen kontrastiert. Innerhalb von Minuten erhöht sich der Kontrast von parenchymatösen Organen und umgebenden Strukturen, was zu einer besseren Abgrenzbarkeit im Röntgen und CT führt. In der Ausscheidungsphase wird das Kontrastmittel glomerulär filtriert und führt zu einer kontrastreichen Darstellung von Nieren und ableitenden Harnwegen.

Pharmakokinetik

Jodhaltige Kontrastmittel werden in der Regel intravenös oder intraarteriell verabreicht und sind somit sofort vollständig bioverfügbar. Sie verteilen sich rasch im Extrazellulärraum, weisen nur eine geringe Plasmaproteinbindung auf und werden praktisch nicht metabolisiert. Die Elimination erfolgt überwiegend unverändert über die Niere durch glomeruläre Filtration, mit einer Plasmahalbwertszeit von etwa 1–2 Stunden bei normaler Nierenfunktion. Bei eingeschränkter Nierenfunktion verlängert sich die Halbwertszeit deutlich, und ein kleinerer Anteil kann biliär oder intestinal ausgeschieden werden.

Nebenwirkungen der jodhaltigen Kontrastmittel

Allergische Reaktionen durch jodhaltige Kontrastmittel:

Entweder pseudoallergische (anaphylaktoide) Reaktionen ohne vorausgegangene Sensibilisierung (Idiosynkrasie) oder echte Typ-I-Allergien nach vorangegangener Sensibilisierung.

Milde Reaktion:

Metallgeschmack, Wärmegefühl, Niesen und Husten, geringe Urtikaria (1% bei LOCM).

Stärkere Reaktion:

(1 % bis 0,1 %): Erbrechen, generalisierte Urtikaria, Gesichtsschwellung, Kopfschmerzen, Herzklopfen/Tachykardie.

Lebensbedrohliche Reaktionen:

Hypotonie, Tachykardie, Schock, Bronchospasmus, Kehlkopfschwellung, Lungenödem, Bewusstlosigkeit (0,1 % bis 0,01 %). Die Mortalität durch KM beträgt etwa 1: 1 000 000.

Risikofaktoren für eine allergische Reaktion:

Atopie, Asthma, vorausgegangene (mittel- bis schwergradige) Kontrastmittelreaktion sowie weitere ausgeprägte allergische Erkrankungen.

Schilddrüsenfunktionsstörungen durch jodhaltige Kontrastmittel:

Durch die Jodzufuhr kann eine Hyperthyreose ausgelöst werden, in schweren Fällen eine thyreotoxische Krise. Risikofaktoren für eine Hyperthyreose sind eine manifeste oder latente Hyperthyreose, eine Jodmangelstruma und autonome Adenome. Selten kann es, insbesondere bei autoimmuner Schilddrüsenerkrankung, auch zu einer passageren Hypothyreose kommen.

Nierenfunktionsstörungen durch jodhaltige Kontrastmittel:

Die osmotisch bedingte Diurese kann zu einem Volumenmangel mit nachfolgender Vasokonstriktion und einer meist reversiblen Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR) führen. Weiterhin können durch das Kontrastmittel freie Radikale freigesetzt werden, die zu einer direkten tubulären Schädigung beitragen. Mit modernen niedrigosmolaren und isoosmolaren Kontrastmitteln wird die kausale Rolle des Kontrastmittels bei akuter (multifaktorieller) Nierenschädigung heute etwas zurückhaltender beurteilt; es wird von postkontrastbedingter akuter Nierenschädigung (post-contrast acute kidney injury, PC-AKI) gesprochen.

Akutes Nierenversagen (ANV):

Typischerweise oligourisch, mit Kreatiningipfel 3–5 Tage nach KM-Gabe. Die Inzidenz lag bei hochosmolaren KM bei etwa 1:1 000–1:5 000; bei modernen niedrigosmolaren und isoosmolaren KM (LOCM/IOCM) ist sie deutlich geringer.

Risikofaktoren für ein ANV:

Vorbestehende Niereninsuffizienz, diabetische Nephropathie, Exsikkose, Herzinsuffizienz, Hyperurikämie, Proteinurie, zweimalige KM-Gabe innerhalb von 24 h, Alter über 70 Jahre, multiples Myelom (insbesondere bei Dehydratation oder Hyperkalzämie) sowie nephrotoxische Medikation (z. B. NSAR oder Gentamicin).

Laktatazidose:

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz unter Metformin-Therapie kann im Rahmen eines akuten Nierenversagens eine Laktatazidose mit hoher Letalität entstehen. Nach aktuellen Empfehlungen muss Metformin bei einer eGFR > 30 ml/min/1,73 m² und fehlender akuter Nierenschädigung vor einer intravenösen Kontrastmittelgabe nicht routinemäßig pausiert werden. Bei Patienten mit eGFR < 30 ml/min/1,73 m² oder akuter Nierenschädigung sowie bei intraarterieller Kontrastmittelgabe mit First-Pass-Nierenexposition sollte Metformin ab dem Zeitpunkt der Kontrastmittelgabe vorübergehend abgesetzt werden; die eGFR wird innerhalb von 48 Stunden kontrolliert und Metformin kann bei unveränderter Nierenfunktion wieder aufgenommen werden.

Herz- und Kreislaufstörungen durch jodhaltige Kontrastmittel:

Die Volumenbelastung durch osmotisch wirksame Kontrastmittel kann eine Herzinsuffizienz verschlimmern und ein Lungenödem auslösen; selten treten Herzrhythmusstörungen oder ischämische Ereignisse auf.

ZNS-Störungen durch jodhaltige Kontrastmittel:

Vor allem bei Patienten mit gestörter Blut-Hirn-Schranke, zerebraler Ischämie, Trauma, Epilepsie oder zerebralen Tumoren, insbesondere bei intraarterieller Kontrastmittelgabe.

Seltene Nebenwirkungen der jodhaltigen Kontrastmittel:

Lyell-Syndrom, Jod-Mumps (Speicheldrüsenschwellung) sowie andere sehr seltene schwere kutane oder systemische unerwünschte Wirkungen.

Kontraindikationen der jodhaltigen Kontrastmittel

Schwere unbehandelte Niereninsuffizienz, bekannte schwere Kontrastmittelreaktionen, manifeste Hyperthyreose und ausgeprägte Exsikkose stellen wichtige Risikokonstellationen bzw. relative Kontraindikationen dar. Eine Kontrastmittelgabe ist bei vitaler oder klarer diagnostischer Indikation nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und gegebenenfalls nach vorbereitenden Maßnahmen (z.B. Schilddrüsentherapie, Volumensubstitution) dennoch möglich.

Wechselwirkungen

Prophylaxe der Nebenwirkungen der jodhaltigen Kontrastmittel

Vermeidung der Nephrotoxizität:

Besonders bei Patienten mit vorbestehender Niereninsuffizienz oder Exsikkose ist eine ausreichende Volumentherapie vor und nach der Kontrastmittelgabe wichtig und kann das Risiko einer postkontrastbedingten akuten Nierenschädigung deutlich senken. Empfohlen wird die Gabe isotoner kristalloider Infusionen (z.B. NaCl 0,9 % oder balancierte Elektrolytlösungen) mit etwa 1–3 ml/kgKG und Stunde, beginnend 6–12 h vor der Untersuchung bis 6–12 h nach der Untersuchung. Bei ambulanten Patienten genügt eine orale Hydrierung vor und nach der Untersuchung, vor dem Kontrastmittel wird 500 ml NaCl 0,9% als Bolusinfusion verabreicht.

Vermeidung einer Hyperthyreose:

Bei normalen TSH- und Schilddrüsenhormonwerten ist eine Kontrastmittelgabe im Allgemeinen gefahrlos möglich.

Die Gefahr einer jodinduzierten Hyperthyreose besteht bei einer latenten Hyperthyreose (supprimiertes TSH bei normalen Schilddrüsenhormonen) bzw. bei V. a. auf Autonomie (Knotenstruma). Die Prophylaxe der Hyperthyreose wird durch eine Blockierung der Jodaufnahme von der Schilddrüse erreicht. Zur Blockierung der Jodaufnahme wird Perchlorat (Irenat) p.o. vor KM-Gabe verabreicht. Im weiteren Verlauf sind Kontrollen der Schilddrüsenhormone notwendig.

Bei einer manifesten Hyperthyreose ist die elektive Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel kontraindiziert. Bei vitaler Indikation kann nach Rücksprache mit einem Endokrinologen und entsprechender Prämedikation Kontrastmittel gegeben werden.

Prämedikation bei allergischem Risikoprofil:

Eine Indikation für eine Prämedikation besteht insbesondere bei Kontrastmittelreaktionen in der Anamnese, vor allem nach mittel- bis schwergradigen Reaktionen; sie kann auch bei ausgeprägter Atopie oder schwerem Asthma erwogen werden. Die Evidenzlage ist jedoch begrenzt, und schwere Reaktionen können trotz Prämedikation nicht sicher verhindert werden.

Orale Prämedikation:

Beginn der Medikation 12 h vor KM-Gabe: Prednisolon 30 mg 12 h, 6 h, und 1 h vor KM-Gabe, Dimetindin 1 mg p.o. 12 h und 1 h vor KM-Gabe, Cimetidin 200 mg p.o. 12 h und 1 h vor KM-Gabe.

Dosierung der jodhaltigen Kontrastmittel

Die Dosierung von jodhaltigem Kontrastmittel bezieht sich auf die Jodmenge. Diese wird meist in Milligramm Jod pro ml angegeben (mg J/ml bzw. mgI/ml). Bei einem Urogramm werden 1–1,5 ml/kgKG Kontrastmittel mit einer Konzentration von 300 mg/ml Jod verabreicht; bei modernen CT-Protokollen werden Dosis und Konzentration zusätzlich untersuchungsspezifisch angepasst.






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Literatur

Bettmann 2004 BETTMANN, Michael A.: Frequently asked questions: iodinated contrast agents.
In: Radiographics
24 Suppl 1 (2004), Oct, S. S3–10

European Society of Urogenital Radiology (ESUR): Guidelines on Contrast Agents.

  English Version: Side effects, and contraindications of iodinated contrast

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