Dr. med. Dirk Manski

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Varikozele: Diagnose und Theapie der Hodenkrampfader

Definition und Klassifikation der Varikozele

Die Varikozele, auch Krampfaderbruch genannt, ist eine eine meist links vorhandene Dilatation und Vermehrung des Plexus pampiniformis am Samenstrang. Leitlinien: EAU Guideline Paediatric Urology, EAU Guideline Sexual and Reproductive Health AUA Guideline: Infertility in Men.


Abbildung Varikozele testis Sonographie der Krampfader des Hodens mit Farbdoppler.

Sonographie des Samenstrangs mit Farbdoppler: Varikozele testis: im linken Bild zeigen sich ektatische Venen im Samenstrang. Im rechten Bild Darstellung des venösen Reflux in die Varikozele durch den Valsalva-Versuch.


Klassifikation der Varikozele:

Die Varikozele wird durch den Untersuchungsbefund im Stehen eingeteilt.

Subklinisch:

Inspektorisch und palpatorisch kein Nachweis einer Varikozele; aber positive skrotale Thermographie oder dopplersonographischer Refluxnachweis.

Grad I:

Unter Valsalvamanöver tastbare aber nicht sichtbare Varikozele.

Grad II:

Ohne Valsalvamanöver tastbare aber nicht sichtbare Varikozele.

Grad III:

Ohne Valsalvamanöver sichtbare Varikozele.

Epidemiologie

Die Varikozele ist häufig und bei rund 4–11% der erwachsenen Männer durch eine klinische Untersuchung nachweisbar. Ungefähr 90% der primären Varikozelen befinden sich auf der linken Seite, rechtsseitige Varikozelen sind in der Regel weniger stark ausgeprägt und meist nur mit Doppler-US erkennbar. Ein hoher BMI senkt die Wahrscheinlichkeit für eine Varikozele (Rais u.a., 2013). Die Prävalenz beträgt bis zu 30%, wenn mit Hilfe der Sonographie eine Varikozele gesucht wird (Chanc Walters u.a., 2012). Die klinische Prävalenz der Varikozele bei Männern mit pathologischem Spermiogramm liegt bei 25% (WHO, 1992). Siehe auch Abschnitt Therapie für den Zusammenhang zwischen Subfertilität und Varikozele (Marmar u.a., 2007).

Ätiologie der Varikozele – Ursachen der Hoden-Krampfader

Primäre Varikozele:

die nahezu rechtwinklige Einmündung der V. testicularis in die V. renalis auf der linken Seite kombiniert mit insuffizienten Venenklappen führt zu einer langen, hydrostatischen Drucksäule, gegen die distale V. testicularis und der Plexus pampiniformis ankämpfen müssen und schließlich dekompensiert. Im weiteren Verlauf der Erkrankung entstehen Kollateralen in das Abflussgebiet der V. iliaca interna und externa.

Sekundäre Varikozele:

durch eine retroperitoneale Raumforderung entsteht ein Abflusshindernis, welches zu einer Varikozele führt. Eine weitere Ursache einer sekundären Varikozele ist das Nussknacker-Syndrom: der Kompression der V. renalis sinistra zwischen A. mesenterica sup. und Aorta.

Pathophysiologie

Reflux von (Nebennieren)-Blut:

führt zur Erhöhung der Noradrenalinkonzentration in der Varikozele und – durch Diffusion – in der A. testicularis. Dies führt zur einer reversiblen Vasokonstriktion im Hoden. Der Reflux führt auch zum oxidativen Stress durch weitere Metabolite im Blut.

Erhöhte Hodentemperatur:

aufgrund des erhöhten venösen Shunting aus dem warmen Körperkern.

Erhöhter venöser Druck:

Der erhöhte venöse Druck verursacht eine Abfluss"|störung und damit eine Störung der Hodendurchblutung.

Funktionsstörung des Hodens:

Eine gestörte Funktion des Keimepithels des Hodens ist die Folge aus oben genannten Faktoren. Dies führt zu einer mikroskopisch sichtbaren Beeinträchtigung der Sertoli-Zellfunktion, verminderter Inhibin-Sekretion und damit zu einem FSH-Anstieg. Die Minderdurchblutung des Hodens beeinträchtigt auch die Leydig-Zellfunktion, dies führt zu erhöhten LH-Konzentrationen und manchmal zu einer erniedrigten Testosteronkonzentration. Marker der Subfertilität sind pathologische Parametern im Spermiogramm (OAT-Syndrom) und eine vermehrte DNA-Fragmentierung der Spermatozoen.

Pathologie

Makroskopie:

höhergradige Varikozelen führen zu einer Atrophie des Hodens.

Mikroskopie:

Klinik der Varikozele

Diagnostik der Varikozele

Sonographie:

Sonographie von Hoden und dem Retroperitoneum. Mögliche Befunde bei Varikozele sind ein sichtbares Venenkonvolut im Samenstrang (Venendurchmesser über 3,5 mm) und eine reduzierte Hodengröße (Differenz >20% oder 2 ml). Wichtig ist der Ausschluss eines Tumors von Hoden oder Retroperitoneum.

Farbdopplersonographie:

Sichtbarer Reflux beim Valsalva-Versuch [Abb. Sonographie Samenstrang und Sonographie Hoden]?


Abbildung intratestikuläre Varikozele Sonographie mit Farbdoppler.

Sonographie Hoden mit Power-Doppler: intratestikuläre Varikozele testis in einem atrophen Hoden. Im linken Bild zeigen sich intratestikuläre ektatische Venen, rechts Darstellung des venösen Reflux durch den Valsalva-Versuch.

Spermiogramm:

Ein pathologisches Spermiogramm (Oligozoospermie, Asthenozoospermie, Teratozoospermie) bis hin zu einer nichtobstruktiven Azoospermie kann durch eine Varikozele verursacht werden. Bei erweiterter Diagnostik kann eine erhöhte DNA-Fragmentation der Spermien nachgewiesen werden. Das Ausmaß der Störung ist abhängig vom Schweregrad der Varikozele, so haben bis zu 55% der Männer mit Grad III Varikozele eine pathologisches Spermiogramm (Damsgaard u.a., 2016).

Hormonbestimmungen:

erhöhtes FSH und erniedrigtes Testosteron sind typisch für eine testikuläre Dysfunktion bei einer Varikozele.

Skrotale Thermographie:

experimentelle Untersuchung. Sie ist nicht notwendig, da ungenau und wenig spezifisch.

Therapie der Varikozele

Asymptomatische Varikozelen bei Jugendlichen müssen regelmäßig beobachtet werden, ein Fortschreiten der Erkrankung kann eine Operation erforderlich machen. Varikozelen bei Erwachsenen werden bei Schmerzen oder bei Subfertilität behandelt.

OP-Indikationen:

Keine OP-Indikationen:

Operative Therapie der Varikozele

Unterschiedliche Techniken wurden publiziert, welche mit widersprüchlichen Eponymbezeichnungen in der Sekundärliteratur dargestellt werden. Prinzipiell kann die Therapie suprainguinal, inguinal, skrotal, transvenös (retrograd oder antegrad), laparoskopisch oder retroperitoneoskopisch durchgeführt werden (Gonzalez, 2014).

Suprainguinale Operationsverfahren:

Die Durchtrennung der V. testicularis oberhalb der Spina iliaca ant. sup. ist die älteste Technik (Erstbeschreibung von Ivanissevich 1918). Die Operationstechnik ist auch laparoskopisch oder retroperitoneoskopisch durchführbar. Siehe Abschnitt Varikozelenoperationen für Details und Abbildungen der Operationstechnik. Die exzellente Sicht und Vergrößerung durch das Laparoskop ermöglicht eine zuverlässige Schonung von Lymphgefäßen und Arterie. Die komplette Durchtrennung der Vasa testicularis (mit Lymphgefäßen) sorgt zwar für eine zuverlässige Therapie der Varikozele, erhöht jedoch deutlich die Gefahr einer Hydrozele (Erstbeschreibung Palomo 1949).

Inguinale Operationsverfahren:

Bei der Operation wird eine inguinale Samenstrangfreilegung und Ligatur sämtlicher Venen in Höhe des inneren Leistenrings durchgeführt. Die Operation sollte mit Hilfe eines Operationsmikroskops durchgeführt werden, geschont werden die A. testicularis, Lymphgefäße und Venen entlang des Vas deferens. Die Erstbeschreibung erfolgte durch Bernardi 1941.

Retrograde Varikozelensklerosierung:

Angiographische Embolisation/Sklerosierung der V. testicularis retrograd über einen transfemoralen oder transjugularen Zugang. Nachteilig sind die Möglichkeit von Gefäßkomplikationen, die Strahlenbelastung und die Dauer/Kosten des Verfahrens. Erstbeschreibung von Formanek 1981.

Antegrade Varikozelensklerosierung:

nach skrotaler Samenstrangfreilegung wird eine Varikozelenvene freigelegt und ein Sklerosierungsmittel injiziert. Erstbeschreibung von Tauber 1993.

Komplikationen der operativen Therapie:

Hydrozele:

bis 7 % bei retroperitonealer Massenligatur. Bei Sklerosierung oder selektiver Unterbindung 1 %.

Rezidiv der Varikozele:

1–2 % bei retroperitonealer Massenligatur. Selektive retroperitoneale Ligatur und Embolisation um 7–11 %.

Hodenatrophie:

bis Hodeninfarzierung (<1 %). Die Gefahr besteht insbesondere bei der antegraden Sklerosierung durch eine arterielle Fehlpunktion oder bei Extravasation von Sklerosierungsmittel.






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Literatur

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Marmar, J. L.; Agarwal, A.; Prabakaran, S.; Agarwal, R.; Short, R. A.; Benoff, S. & Thomas, A. J. Reassessing the value of varicocelectomy as a treatment for male subfertility with a new meta-analysis.
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Rais, A.; Zarka, S.; Derazne, E.; Tzur, D.; Calderon-Margalit, R.; Davidovitch, N.; Afek, A.; Carel, R. & Levine, H. Varicocoele among 1 300 000 Israeli adolescent males: time trends and association with body mass index.
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P. Schlegel, M. Sigman, B. Collura, C. De Jonge, M. Eisenberg, and et al., “Diagnosis and Treatment of Infertility in Men: AUA/ ASRM Guideline.” [Online]. Available: https://www.auanet.org/guidelines-and-quality/guidelines/male-infertility


  English Version: Varicocele: pathophysiology of testicular dysfunction and infertility


Varicocele: Treatment (Surgical procedures)