Dr. med. Dirk Manski

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Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)

Definition der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung

Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist eine häufig vererbte zystische Nierenerkrankung mit Ausbildung einer terminalen Niereninsuffizienz im Erwachsenenalter (Kuehn und Walz, 2015).

Epidemiologie

1:2000. 15 % der dialysepflichtigen Patienten haben ADPKD.

Ätiologie der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung

Genetik:

Bisher sind verschiedene Mutationen von zwei Genen bekannt: in 85–90% ist PKD1 (Chromosom 16, kodiert Polycystin-1) betroffen, in 10–15% PKD2 (Chromosom 4, kodiert Polycystin-2). PKD2-Mutationen verursachen typischerweise einen milderen Krankheitsverlauf (späterer Beginn, langsamere Progression). Autosomal dominante Vererbung mit fast 100% Penetranz ist typisch, sodass 50% der Kinder von betroffenen Patienten die Erkrankungen vererbt bekommen. Die Erkrankung entsteht gemäß der Knudson-Theorie der zwei Treffer: ein erkranktes Gen wird vererbt, das zweite Gen wird durch eine spontane Mutation verändert und erklärt die lange symptomfreie Latenz bis zum Erkrankungsbeginn.

Pathophysiologie:

Polycystin-1 und Polycystin-2 erfüllen wichtige Aufgaben in der Signaltransduktion und in der Ausbildung des Primärziliums der Tubulusepithelzelle. Eine Störung führt zu einer Störung der Zellpolarität, Proliferation des Tubulusepithels und zur Ausbildung von Zysten; jeder Nephronabschnitt kann betroffen sein. Ähnliche Mechanismen schädigen die Blutgefäße und andere Organsysteme. Die Erkrankung führt zu einer Aktivierung der mTOR Signaltransduktion, Erhöhung der cAMP-Produktion und Erhöhung der Ionen- und Flüssigkeitssekretion in das Nierenzystenlumen. Der Vasopressin V2-Rezeptor-Blocker Tolvaptan hemmt die ADH-abhängige cAMP-Produktion und verlangsamt die Zunahme des Nierenvolumens und verzögert die Entwicklung einer Niereninsuffizienz.

Progressionsfaktoren:

Das normale (beidseitige) Nierenvolumen beträgt in der Regel unter 400 ml. Bei der ADPKD geht eine zunehmende Nierenvergrößerung mit einer Abnahme der Nierenfunktion einher. Das Nierenvolumen kann entweder über MRT-Protokolle gemessen werden, alternativ genügt auch die sonographische Volumenbestimmung. Je größer das Nierenvolumen, desto schlechter die Prognose für die Nierenfunktion. Die Zeit bis zur terminalen Niereninsuffizenz für einen 30jährigen Mann in Abhängigkeit des Nierenvolumens beträgt beispielsweise 10 Jahre (Nierenvolumen 2000 ml), 18 Jahre (1500 ml) oder 21 Jahre (1000 ml) (Kuehn und Walz, 2015).

Pathologie der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD)

Sehr stark vergrößerte Nieren, welche komplett von Zysten durchzogen werden [Abb. polyzystische Niere]. Wenige millimeter- bis zentimetergroße Zysten, welche Kontakt zum Nephron aufweisen. Die Epithelauskleidung entspricht dem Ursprung der Zyste.

Zysten bilden sich auch in anderen Organsystemen aus (siehe Klinik) [Abb. Leberzysten].

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Klinik der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD)

Erkrankungsbeginn:

30. bis 50. Lebensjahr. Vermehrtes Screening durch Sonographie und genetische Diagnostik senkt das Alter für die Erstdiagnose. Selten Erkrankungsbeginn im Säuglingsalter.

Beschwerden:

Hämaturie (50 %), Proteinurie, Flankenschmerzen, rezidivierende Zysteninfektionen, Nephrolithiasis (20%), GI-Symptome (Verdrängung durch die Nieren), art. Hypertonus (80 %).

Niereninsuffizienz meist in der fünften Lebensdekade (PDK1 Mutation) oder in der siebten Lebensdekade (PDK2 Mutation).

Assoziierte Fehlbildungen:

Zysten in Leber, Pankreas, Milz und Lunge. Aneurysma der Hirnarterien. Kolondivertikel. Mitralklappenprolaps.

Diagnose der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD)

Familienanamnese:

Stammbaumanalyse über 3 Generationen.

Labor:

Urinuntersuchung (Proteinurie? Hämaturie?), Kreatinin.

Genetische Diagnostik:

Die genetische Diagnostik findet Anwendung zur Differentialdiagnose bei zystischen Nierenerkrankungen und als prädiktive Diagnostik bei positiver Familienanamnese. Das Risiko der Erkrankung beträgt für Kinder von Betroffenen 50% (autosomal dominanter Erbgang). Die genetische prädiktive Diagnostik ist sehr teuer und bietet wenig klinische Vorteile im Vergleich zur Bildgebung.

Sonographie:

Patienten von betroffenen Familien können mit einer Nierensonographie eine frühe Diagnose erhalten: wenn im Alter von <30 Jahren mindestens zwei uni- oder bilaterale Nierenzysten vorliegen oder wenn im Alter von 30–60 Jahren mindestens zwei Nierenzysten auf jeder Seite vorliegen, dann ist die Diagnose ADPKD gesichert. Weiterhin Untersuchung der Leber, Pankreas und Milz auf Organzysten. Wenn im Alter von 40 Jahren bei Patienten von betroffenen Familien weder in Nieren noch in viszeralen Organen Zysten nachweisbar sind, so gilt der Patient als gesund (Ravine u.a., 1994). Die Bestimmung des beidseitigen Nierenvolumens ist wichtig für die Einschätzung der Prognose hinsichtlich einer späteren Niereninsuffizienz (s.o.).


Sonographie bei ADPKD: sagittaler Schnitt durch die Leber: neben einer großen Leberzyste zeigt sich eine massiv vergrößerte Niere mit multiplen Zysten.
Abb. Sonographie der Nieren bei polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD)

Computertomographie oder MRT:

Abdominelle Bildgebung der Nierenzysten bei Flankenschmerzen, unklarem Fieber oder suspekter Sonographie, kranielle Bildgebung zur Risikoabschätzung bezüglich von Hirnaneurysmen.


CT-Abdomen bei ADPKD: bilaterale Zystennieren und multiple Leberzysten. Mit freundlicher Genehmigung, Prof. Dr. K. Bohndorf, Augsburg.
Abb. CT Abdomen bei polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD)

Urogramm:

Es besteht nur selten eine Indikation für ein Urogramm, vor allem wenn ein CT-Abdomen nicht verfügbar ist. Im Nephrogramm zeigt sich ein ,,Schweizer Käse``-Aspekt und Kelchverdrängung durch Zysten [Abb. Urogramm bei ADPKD].

Urogramm bei der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD): Kelchverdrängung durch multiple Zysten. Gute Nierenfunktion. Die Abb. wurde freundlicherweise von Dr. G. Antes, Klinikum Kempten, zur Verfügung gestellt.
 Urogramm bei ADPKD Kelchverdrängung durch multiple Zysten Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung

Therapie der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD)

Konservative Therapie:

Frühzeitige Therapie des art. Hypertonus mit Medikamenten aus der Klasse der ACE-Hemmer oder der Angiotensin II-Rezeptorantagonisten. Kochsalzarme Diät. Eine Proteinreduktion verbessert nicht die Prognose. Der Vasopressin(V2)-Rezeptorantagonist Tolvaptan ist bei Patienten mit hohem Progressionsrisiko zugelassen (Alter <30 Jahren, Nierenvolumen >1500 ml und GFR <90 ml), um die Zunahme des Nierenvolumens und Progression der Niereninsuffizienz zu verlangsamen (Torres u.a., 2012). Eine Verlängerung der dialysefreien Zeit durch Tolvaptan von 4–6,5 Jahren ist realistisch. Problematisch ist die Polyurie (teilweise über 7 l/d) und die idiosynkratische Hepatotoxizität, dies macht eine intensive Patientenüberwachung notwendig.

Flankenschmerzen:

Nephrolithiasis, Blutung oder Infektion von Zysten können für Flankenschmerzen verantwortlich sein. Wenn die Bildgebung veränderte Zysten erkennen lässt, kann eine perkutane Behandlung (Pigtail Kathetereinlage und Sklerotherapie) oder eine laparoskopische Entfernung der Zysten hilfreich sein. Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse.

Niereninsuffizienz:

Hämodialyse und Nierentransplantation sind die Behandlungsalternativen. Eine Nephrektomie ist häufig vor einer Nierentransplantation erforderlich: entweder um Platz für das Transplantat zu schaffen oder wenn wiederkehrende Symptome der vergrößerten polyzystischen Nieren vorliegen.

Experimentelle Therapieansätze:

Medikamentöse Blockierung der Tubulusepithelproliferation durch Inhibitoren der Signaltransduktion. Bisherige Studien mit mTOR Inhibitoren wie Everolimus konnten keinen protektiven Einfluss auf die Nierenfunktion nachweisen [Walz u.a., 2010]. Zukunftaussichten sind EGFR-Thyrosinkinase Inhibitoren oder Vasopressin(V2)-Rezeptorantagonisten. Im Tiermodell konnte so eine Zystenbildung verringert werden und ein Nierenfunktionsverlust hinausgezögert werden.

Prognose der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD)

Die Prognose der ADPKD hat sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund besserer Therapieoptionen der Komplikationen (wie Harnwegsinfektion, Nephrolithiasis, Hypertonus) verbessert.

Niereninsuffizienz:

die ADPKD führt zur Dialyse bei 2 % der 40–jährigen, 23 % der 50–jährigen und 48 % der 73-jährigen betroffenen Patienten. Die Prognose hinsichtlich der Niereninsuffizienz korreliert eng mit dem Nierenvolumen (s.o.).

Hirnblutung:

9 % sterben an einer Subarachnoidalblutung (Aneurysmablutung). Zusätzlich sind Hirnblutungen aufgrund einer malignen Hypertonie möglich.






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Literatur autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)

W. Kuhn and G. Walz. Therapie der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung.
Dtsch Arztebl, 51-52: 884 (2015).

Ravine, D.; Gibson, R. N.; Walker, R. G.; Sheffield, L. J.; Kincaid-Smith, P. & Danks, D. M. Evaluation of ultrasonographic diagnostic criteria for autosomal dominant polycystic kidney disease 1.
Lancet, 1994, 343, 824-827.

Torres, V. E.; Chapman, A. B.; Devuyst, O.; Gansevoort, R. T.; Grantham, J. J.; Higashihara, E.; Perrone, R. D.; Krasa, H. B.; Ouyang, J.; Czerwiec, F. S. & , T. E. M. P. O. 3:4. T. I. Tolvaptan in patients with autosomal dominant polycystic kidney disease.
N Engl J Med, 2012, 367, 2407-2418.

Walz, G.; Budde, K.; Mannaa, M.; Nürnberger, J.; Wanner, C.; Sommerer, C.; Kunzendorf, U.; Banas, B.; Hörl, W. H.; Obermüller, N.; Arns, W.; Pavenstädt, H.; Gaedeke, J.; Büchert, M.; May, C.; Gschaidmeier, H.; Kramer, S. & Eckardt, K. Everolimus in patients with autosomal dominant polycystic kidney disease.
N Engl J Med, 2010, 363, 830-840


autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)

 



  English Version: autosomal dominant polycystic kidney disease