Dr. med. Dirk Manski

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Diagnose und Therapie des Phäochromozytoms

Zusammenfassende Literatur Phäochromozytom: (Lehnert u.a., 2002) (Parenti u.a., 2012).

Definition des Phäochromozytoms

Das Phäochromozytom ist ein seltener, potentiell maligner Tumor des Nebennierenmarks mit Produktion von Katecholaminen und Erzeugung einer arteriellen Hypertonie.

Epidemiologie

Ursächlich in weniger als 1 % der arteriellen Hypertonien. Inzidenz 0,2/100 000. Erkrankungsalter 30–50 Lebensjahre.

Ätiologie und Pathologie des Phäochromozytoms

Tumorbiologie:

Das Phäochromozytom entsteht aus den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks. 10–20 % der Phäochromozytome sind extraadrenal lokalisiert, z. B. in den paravertebralen Ganglien und in den Ganglien der abdominellen Organe. In 10–25 % ist ein bilateraler Nebennierentumor vorhanden.

Beurteilung der Malignität:

Das sporadische Phäochromozytom ist in 10% maligne, das familiäre in 25%. Die Beurteilung der Malignität anhand histologischer Kriterien ist schwierig. Mit Hilfe des PASS Score (pheochromocytoma of the adrenal gland scale score) kann das maligne Potential anhand folgender Kriterien (Punkte in Klammern) eingeschätzt werden: Gefäßinvasion (1), Kapselinvasion (1), Zellkernpleomorphismus (1), Hyperchromasie des Zellkerne (1), Infiltration von benachbartem Fettgewebe (2), Nekrosen (2), große Zellnester oder diffuses Wachstum (2), spindelförmige Tumorzellen (2), zelluläre Gleichförmigkeit (2), vermehrte oder atypische Mitosen (2). Ein PASS Score von über 6 Punkten spricht für ein malignes Potential des Phäochromozytoms (Thompson, 2002). Weitere Risikofaktoren für die Malignität sind eine Tumorgröße von über 5 cm und ein Ki-67 index von über 3%.

Familiäres Phäochromozytom:

alle Patienten mit Phäochromozytom sollten auf folgende Entitäten untersucht werden, um weitere Karzinome frühzeitig zu entdecken.

MEN (multiple endokrine Neoplasien) Typ IIa (Morbus Sipple):

Medulläres Schilddrüsenkarzinom + Phäochromozytom + primärer Hyperparathyreoidismus.

MEN Typ IIb (Morbus Gorlin):

Medulläres Schilddrüsenkarzinom + Phäochromozytom + Ganglioneuromatose (Darm, Neurofibrome...) + marfanoider Habitus.

von Hippel-Lindau-Syndrom:

Autosomal dominant vererbtes Neoplasie-Syndrom (Phakomatose) durch eine Keimzellmutation des VHL Tumorsuppressorgens. Es entstehen benigne und maligne Tumoren des ZNS, der Nieren, Nebennieren, der Bauchspeicheldrüse und anderen Organen.

Neurofibromatose:

Risiko von 1–2 % für ein Phäochromozytom.

Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom:

Auftreten von Paragangliomen (paravertebrale Tumoren von der Schädelbasis zum Becken), Phäochromozytomen und weiteren Tumoren wie Nierenzellkarzinom und papilläres Schilddrüsenkarzinom.

Klinik des Phäochromozytoms

Typischerweise anfallsartiges Beschwerdebild (15–90 min), Anfallsauslöser sind Bewegung, Massage, Miktion, Sex, Essen (Wein, Käse), Niesen, Husten, Schwangerschaft.
Der Phäochromozytom-Anfall ist charakterisiert durch die folgenden Symptome:

Weitere mögliche Symptome: Gewichtsverlust, Schwäche, Schmerzen.

Diagnostik des Phäochromozytoms

Labor:

Leukozytose, Hyperglykämie, Glukosurie, Hyperlipidämie.

24 h-Sammelurin:

Nachweis der erhöhten Konzentrationen der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin sowie der Abbauprodukte Metanephrin und Normetanephrin. Die Bestimmung der Metanephrine ist die Untersuchung mit der höchsten Sensitivität. Der Behälter für den 24 h-Sammelurin muss mit Beginn der Sammlung angesäuert werden (spezielles Gefäß wird meist vom Labor gestellt). Wenn ein Wert über das 2–3fache der Norm liegt, so ist ein Phäochromozytom/Paragangliom wahrscheinlich. Siehe Flussdiagramm Diagnose und Therapie von adrenalen Inzidentalomen zur Differentialdiagnose.

Clonidinhemmtest:

Clonidin wirkt als zentrales Sympatholytikum und führt (bei intaktem Regelkreis) zu einer Senkung der Katecholaminkonzentrationen. Bei grenzwertig erhöhten Konzentrationen der Katecholamine oder deren Abbauprodukte (Metanephrine) sollte ein Clonidinhemmtest durchgeführt werden. Zunächst Anlage eines Venenzugangs und basale Bestimmung der Serumkatecholamine und Serummetanephrine, nach Gabe von 300 μg Clonidin p.o. sollten erhöhte Konzentrationen um mindestens 50% absinken, um ein Phäochromozytom auszuschließen. Nebenwirkung: starker Blutdruckabfall unter Clonidin, es ist eine engmaschige Überwachung der Vitalparameter notwendig.

Bildgebung:

CT- oder besser MRT-Abdomen: bei T1-gewichteten Bildern Hypointensität, bei T2-gewichteten Bildern Hyperintensität (light bulb-Zeichen).

MIBG-Szintigraphie:

mit 123Jod oder 131Jod markiertem Metaiodobenzylguanidine (MIBG) können ektope (extraadrenale) Phäochromozytome oder Metastasen identifiziert werden.

PET:

Als Tracer wird u.a. 18}F markiertes L-DOPA (FDOPA) bei der Positronenemisionstomographie verwendet, dies wird von neuroendokrinen Tumoren bevorzugt aufgenommen und zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Umgebungsdiagnostik von u.a. Phäochromozytomen und Paragangliomen.

Therapie des Phäochromozytoms

Präoperative Katecholaminblockade:

Alphablocker Phenoxybenzamine 10 mg 1–0–1. Die Dosierung wird langsam um 20 mg/d gesteigert, bis die Hypertension unter Kontrolle ist. 40 bis 100 mg/d sind i. d. R. ausreichend. Ein Beta-Blocker (z. B. Propranolol) darf nur nach vorheriger Alpha-Blockade gegeben werden und ist eigentlich nur bei Arrhythmien und fehlender Blutdruckkontrolle indiziert. Dosierung von Propranolol 20–40 mg 1–1–1.

Adrenalektomie:

Standard ist ein transabdomineller Zugang für die Adrenalektomie bei großen Tumoren, sonst großzügiger lumbaler Zugang (ggf. mit Resektion der 11. Rippe). Wichtig ist die zirkuläre Präparation des Organs ohne große Manipulation des Tumors (Non-Touch-Technik), da eine hypertensive Krise auslöst werden kann. Die laparoskopische Adrenalektomie entwickelt sich bei (kleinen) Phäochromozytomen immer mehr zu einem neuen Standard.

Metastasiertes Tumorstadium:

die Blutdruckkontrolle ist wie o.g. möglich. Eine Resektion des Primärtumors und der Metastasen sollte, falls möglich, angestrebt werden. Weitere therapeutische Optionen bei metastasierten Phäochromozytom sind die Gabe von Jod-131-MIBG (in therapeutischer Dosierung) und eine Chemotherapie (z. B. Cyclophosphamid, Vincristin und Dacarbazin).






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Literatur

Lehnert u.a. 2002 LEHNERT, H. ; HAHN, K. ; DRALLE, H.: Benignes und malignes Phäochromozytom.
In: Internist (Berl)
43 (2002), Nr. 2, S. 196, 199–209

J. W. M. Lenders et al., “Pheochromocytoma and paraganglioma: an endocrine society clinical practice guideline.,” The Journal of clinical endocrinology and metabolism, vol. 99, no. 6, pp. 1915–1942, Jun. 2014, doi: 10.1210/jc.2014-1498.

Parenti, G.; Zampetti, B.; Rapizzi, E.; Ercolino, T.; Giachè, V. & Mannelli, M. Updated and new perspectives on diagnosis, prognosis, and therapy of malignant pheochromocytoma/paraganglioma.
J Oncol, 2012, 2012, 872713.

Thompson, L. D. R. Pheochromocytoma of the Adrenal gland Scaled Score (PASS) to separate benign from malignant neoplasms: a clinicopathologic and immunophenotypic study of 100 cases.
Am J Surg Pathol, 2002, 26, 551-566



  English Version: Pheochromocytoma