Dr. med. Dirk Manski

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Harnröhrenklappen: Ursachen, Folgen und Symptome


Zusammenfassende Literatur: (Agarwal, 1999) (Carr und Snyder, 2004) (Glassberg, 2001). Leitlinie der EAU: EAU Guidelines Paediatric Urology.

Definition der hinteren Harnröhrenklappen

Hintere Harnröhrenklappen sind segelartige Reste der embryonalen Entwicklung in der prostatischen oder membranösen Harnröhre mit Harnblasenentleerungsstörungen und Schädigung der Harnblase und oberen Harnwege. Die hinteren Harnröhrenklappen werden historisch nach Young eingeteilt [Abb. 2.2]:

Typ I:

Ziehen vom Verumontanum zur membranösen Harnröhre. Als Ursache wird eine anormale Insertion oder Reste des Ductus mesonephricus (Wolff-Gang) vermutet. 90–95 % der hinteren Harnröhrenklappen.

Typ II:

eine Hypertrophie von oberflächlichen Muskelfasern, welche vom Verumontanum zu den Ostien ziehen und wenig obstruktiv sind.

Typ III:

eine ringförmige Membran in der membranösen Harnröhre vor dem Verumontanum. Sie entsteht durch die fehlende Auflösung der urogenitalen Membran und bewirkt eine starke Obstruktion.

Harnröhrenklappen Young Einteilung Fehlbildung Harnröhre

Abbildung 2.1: Harnöhrenklappen: Einteilung der Harnröhrenklappen in Typ I–III nach Young. Beschreibung siehe Text (Young u.a., 1919).

Häufigkeit (Epidemiologie) der hinteren Harnröhrenklappen

1–2/10000 männlichen Geburten.


Folgen (Pathogenese) der Harnröhrenklappenerkrankung

Angeborene Harnklappen induzieren Folgeschäden am Harntrakt, welche auch nach erfolgreicher Therapie fortbestehen. Sie entstehen durch die Entwicklung des Harntrakts unter pathologisch erhöhten intraluminalen Drücken.

Glomeruläre Filtration:

Durch die bereits pränatal bestehende Hydronephrose entsteht eine mikrozystische renale Dysplasie. Bei fehlender Therapie resultiert durch rezidivierende Harnwegsinfekte, vesikoureteralen Reflux und persistierende Hydronephrose ein Folgeschaden an der Niere. Im Verlauf entwickelt sich durch das steigende Körpergewicht und erhöhte Mengen an auszuscheidenden Stoffen eine manifeste oder terminale Niereninsuffizienz.

Renale tubuläre Funktion:

die Entwicklung unter intraluminalem Hochdruck bewirkt eine Schädigung des distalen Nephrons mit mangelnder Konzentrationsfähigkeit der Nieren. Die Kinder sind gegenüber Flüssigkeitsverlust sehr anfällig (Fieber, Durchfall oder Erbrechen).

Hydronephrose:

Trotz Beseitigung der subvesikalen Obstruktion erlangen nicht alle Kinder zügig eine Verbesserung der Dilatation des oberen Hohlsystems. Einerseits erzeugt der hohe Urinfluss durch die tubuläre Funktionsstörung eine Dilatation. Andererseits können massiv dilatierte Ureteren nur eine unzureichende Peristaltik bieten und Ureterknickungen selber obstruktiv wirken. Eine Ureterrekonstruktion ist nach urodynamischer Überprüfung (Whitaker-Test) jedoch nur selten indiziert.

Vesikoureteraler Reflux (VUR):

30–50 % der Kinder mit hinteren Harnröhrenklappen leiden unter vesikoureteralem Reflux. Ein- und beidseitiger VUR ist ein Risikofaktor für ein terminales Nierenversagen. Ein einseitiger Reflux soll durch möglichen Druckausgleich protektiv für die kontralaterale Niere sein und damit das Risiko für ein terminales Nierenversagen verringern (posterior urethral Valves, Unilateral vesicoureteral Reflux and renal Dysplasia = VURD-Syndrom). Langzeitstudien konnten den protektiven Effekt nicht bestätigen. Nach Entlastung der subvesikalen Obstruktion ist in 30 % die Spontanheilung des VUR zu erwarten.

Harnblasendysfunktion:

Folgende Mechanismen führen zur einer Harnblasenfunktionsstörung ("Klappenblase"): verdickte Harnblasenwand mit erhöhtem Kollagenanteilen, verminderte Harnblasencompliance, autonome Detrusorkontraktionen mit Inkontinenz und erhöhten Detrusordrücken, eine Polyurie durch die Niereninsuffizienz und eine verminderte Harnblasensensitivität. Im Verlauf der kindlichen Entwicklung dekompensiert die Harnblasenentleerung mit Restharnbildung. Die Harnblasendysfunktion ist ein Risikofaktor für ein Nierenversagen und gefährdet auch den Erfolg einer Nierentransplantation.

Symptome (Klinik) der hinteren Harnröhrenklappen

Die Klinik und Prognose ist vom Alter der Diagnosestellung abhängig.

Antenatale Symptome:

Oligohydramnion, Hydronephrose und eine vergrößerte Harnblase sind Zeichen für CLUTO (congenital lower urinary tract obstruction): am häufigsten Harnröhrenklappen, aber auch andere Harnröhrenfehlbildungen, Prune-Belly-Syndrom, vesikoureteraler Reflux.

Neugeborene:

abdomineller Tumor, Urinaszites durch Fornixruptur, Atemnot aufgrund von pulmonaler Hypoplasie. In der Anamnese Oligohydramnion. Bei klinisch relevanter pulmonaler Hypoplasie 50 % Letalität. Bis zu 25 % terminale Niereninsuffizienz.



Säuglingsalter bis Schulkinder:

Harnwegsinfekte, schwacher Harnstrahl, Miktionsschwierigkeiten, Mikrohämaturie, Inkontinenz, Enuresis nocturna. In 10 % entwickelt sich terminales Nierenversagen bis zur Pubertät.






Weitere Information: die Enuresis nocturna, die kindliche nächtliche Harninkontinenz, kann ein Krankheitszeichen für eine Harnröhrenklappe sein.




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Literatur

Agarwal 1999 AGARWAL, S.: Urethral valves.
In: BJU Int
84 (1999), Nr. 5, S. 570–8

Carr und Snyder 2004 CARR, M. C. ; SNYDER, H. M.: [Urethral valves. Fate of the bladder and upper urinary tract].
In: Urologe A
43 (2004), Nr. 4, S. 408–13

Glassberg 2001 GLASSBERG, K. I.: The valve bladder syndrome: 20 years later.
In: J Urol
166 (2001), Nr. 4, S. 1406–14

Young u.a. 1919 YOUNG, H. H. ; FRONTZ, W. A. ; BALDWIN, J. C.: Congenital obstruction of the posterior urethra.
In: J Urol
3 (1919), S. 289

  English Version: Diagnosis and treatment of posterior urethral valves