Dr. med. Dirk Manski

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Harnwegsinfektion: Diagnose durch Urinuntersuchung und Bildgebung

Laboruntersuchungen bei Harnwegsinfektion

Uringewinnung:

Mittel der ersten Wahl für die Uringewinnung ist die sterile Uringewinnung im Rahmen von Katheterisierungen (Einmalkatheterurin), Interventionen oder durch eine oder suprapubische Blasenpunktion. Ansonsten wird der Urin bei per Mittelstrahlurin und bei Säuglingen per Klebebeutel gewonnen. Das Risiko der bakteriellen Kontamination beträgt bei nichtinvasiver Uringewinnung bis zu 40%, je nach Geschlecht, Alter und Compliance.

Urinsediment oder Urinstreifenuntersuchung:

Zeichen eines Harnwegsinfekts sind Pyurie, (Mikro-)Hämaturie und Bakterien im Urinsediment (Nitrit positiv). Bei längerer Katheterisierung und intermittierenden Katheterisierungen ist die diagnostische Aussage vermindert.



Urinkultur:

Bei einer sterilen Harnblasenpunktion gilt jeder Keimnachweis als pathologisch. Bei Mittelstrahlurin besteht die Gefahr einer Kontamination, Hinweise dazu liefert der Nachweis von Hautkeimen oder einer Mischflora. Zur weiteren Differenzierung zwischen Kontamination oder signifikanter Bakteriurie wird bei Mittelstrahlurin die Keimzahl (Kass-Zahl) herangezogen, siehe auch Abschnitt Urinkultur:

Kass-Zahl:

105 Keime/ml (oder Kolonie-bildende Einheiten KBE/ml) in einem sauber gewonnenen Mittelstrahlurin zeigen einen HWI an (Kass, 2002). Erregerzahlen von 103 bis 104 Keime/ml können bei typischer Klinik und bei typischen Uropathogenen in Reinkultur (keine Mischkultur) bereits klinisch relevant sein. Eine forcierte Diurese oder Pollakisurie führen zu einer kürzeren Verweilzeit des Urins in der Harnblase und können damit bei bestehender akuter Zystitis falsch-niedrige Keimzahlen ergeben. Ein Erregernachweis durch eine Einmalkatheterisierung oder Harnblasenpunktion ist immer pathologisch.

Labor:

Harnwegsinfektionen mit Fieber: Blutbild, CRP, Kreatinin. Blutkulturen sollten bei hohem Fieber und Zeichen der systemischen Infektion abgenommen werden. Siehe auch Abschnitt Diagnose der Sepsis für weitere Laboruntersuchungen, um Komplikationen der Sepsis zu erfassen.

Basisdiagnostik bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen:

Sonographie:

Sonographie der Harnblase und der NNieren: Restharn? Harnstau? Harnblasendivertikel? Harnblasensteine? Nephrolithiasis? Adenom der Prostata? Ureterozele?

Zystoskopie:

Die Zystoskopie ist nur im infektfreien Intervall sinnvoll zum Ausschluss einer subvesikalen Obstruktion, eines Divertikels, Harnblasensteine oder Harnblasentumoren (ggf. mit Probebiopsien). Laut S3-Leitlinie ist die routinemäßige Zystoskopie bei Frauen ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen nicht indiziert. Dies ist bei jungen Frauen ohne hohes Risiko für einen Blasentumor verständlich, ab einem gewissen Alter (>50 Jahren?) und bei Risikofaktoren (siehe Mikrohämaturie) sollte die Zystoskopie jedoch empfohlen werden (Vermeulen u.a., 2015) (Cohn u.a., 2014).

Erweiterte Diagnostik bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen:

Bei Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik:

Urinstrahlmessung:

Objektivierung des Harnstrahls.

Urogramm oder CT-Abdomen:

Zum Ausschluss von Harnstau, Harnsteinen, Harnblasendivertikeln, anatomischen Fehlbildungen. Die CT ist dem Urogramm überlegen: sie bietet eine bessere Darstellung von anatomischen Details (Ursache einer Hydronephrose?) und höhere Sensitivität bei Nephrolithiasis oder Abszessen.

Miktionszysturethrogramm:

das MCU ist indiziert bei V. a. vesikoureteralen Reflux, Miktionsstörungen oder Harnblasendivertikel.

Urethrogramm bei Männern:

Indiziert bei einer Urethrastriktur in der Zystoskopie oder bei V.a. Harnröhrendivertikel.

Nierenszintigraphie:

Die DMSA-Szintigraphie der Nieren ermöglicht die Identifizierung von Narben und Nierenfunktionsstörungen im Rahmen des vesikoureteralen Reflux.

Urodynamik:

Die Urodynamik ermöglicht die genaue Klassifizierung von Miktionsstörungen, die Durchführung der Urodynamik ist nur im infektfreien Intervall sinnvoll.






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Literatur Harnwegsinfektion

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  English Version: Diagnostic workup in urinary tract infection