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Nierentrauma: Verletzung der Nieren
Ein Nierentrauma ist eine Verletzung des Nierenparenchyms oder des Gefäßsystems durch eine äußere Einwirkung. Die Folgen eines Nierentraumas sind Blutungen oder Schäden an den ableitenden Harnwegen mit möglichem Urinaustritt. EAU Guidelines: Urological Trauma. (Diederichs und Mutze, 2003) (Kawashima u.a., 2002) (Meria und Mazeman, 2000) (Vasile u.a., 2000).
Ätiologie der Verletzungen des oberen Harntrakts
Offene Verletzungen:
Schuss- oder Stichverletzungen.
Geschlossene Verletzungen:
Direkte stumpfe Gewalt (Quetschung, Prellung des Abdomens oder der Flanken) führt zu einer Berstungsverletzung der Nieren. Dezelerationstrauma: Schädigung des Nierenstieles oder Harnleiters durch die Trägheit der Masse (Nieren) bei Sturz aus großer Höhe oder Verkehrsunfall.
Epidemiologie des Nierentraumas
- bei stumpfen Bauchtraumata sind in bis zu 40 % die Nieren beteiligt.
- in Ballungsräumen treten 80 % der Nierenverletzungen im Rahmen von Polytraumata auf. In Skigebieten sind 2/3 der isolierten Nierenverletzungen auf Skiunfälle zurückzuführen.
- Kinder neigen zu höhergradigen Verletzungen, ebenso Patienten mit fehlgebildeten Nieren.
- Penetrierende Verletzungen (Schuss oder Stich) sind selten, sie spielen in den USA eine größere Rolle als in Europa. Begleitende Darmverletzungen sind dann in 80 % d. F. zu erwarten.
Klinik des Nierentraumas
Akutes Beschwerdebild:
Anamnese (Dezeleration, Flankenprellung...), Flankenprellmarken und Hämatom, Flankenschmerzen, Abwehrspannung und tastbare Raumforderung, Rippenfraktur, Hämaturie, Schock.
Spätfolgen des Nierentraumas:
Abszess, Urinom, Harnstau, AV-Fistel, renale Hypertonie, Nierenfunktionsverlust durch Hydronephrose oder Arterienstenose.
Diagnostik des Nierentraumas
Labor:
Urinsediment, Blutbild, Kreatinin. Eine fehlende Hämaturie schließt eine schwere Nierenverletzung nicht aus.
Sonographie:
Die Sonographie ist ein wertvolles Instrument für die Erstbewertung von Bauchverletzungen ohne eindeutigen Nachweis einer Organverletzung. Wenn in der Sonographie Auffälligkeiten entdeckt werden (Nachweis von Hämatom, freie Flüssigkeit, Harnstau, Urinom oder Durchblutungsstörungen in der Doppler-Sonographie) so ist die Durchführung einer CT für eine exakte Diagnose notwendig.
Computertomographie:
Diagnostikum der Wahl bei hochgradigem Verdacht auf eine Organverletzung (u.a. Polytrauma, penetrierende Verletzungen, Dezelerationsverletzung, Rippenserienfraktur, sonographische Auffälligkeiten, Makrohämaturie). Wichtig ist eine Kontrastmittelfüllung der Harnblase vor der Untersuchung, wenn die Beurteilung des unteren Harntrakts notwendig ist. [Abb. CT von Nierentraumata].
Kontraindikation für ein CT: Patienten mit einem instabilen Kreislauf nach initialem Schockmanagement und Anhalt für eine abdominelle Blutung sollten ohne weitere Bildgebung laparotomiert werden.
Urogramm:
Das Urogramm die Untersuchung wurde fast vollständig durch die CT verdrängt. Sie ist eine Option um eine renale Verletzung auszuschließen, z.B. bei Hämaturie und normaler Sonographie, wenn die CT nicht verfügbar ist. Das Urogramm spielt auch eine begrenzte Rolle bei der intraoperativen Bildgebung während einer Notfall-Laparotomie (single shot IVP).
Klassifikation von Nierenverletzungen
Gliederung nach der American Association for the Surgery of Trauma, siehe auch Abb. Klassifikation Nierentrauma:
Grad I:
Nierenkontusion mit Hämaturie oder subkapsulärem Hämatom, intakte Organkapsel, kein retroperitoneales Hämatom.
Grad II:
Nierenparenchymeinriss unter 1 cm und Einriss der Organkapsel mit retroperitonealem Hämatom.
Grad III:
Nierenparenchymeinriss über 1 cm und Einriss der Organkapsel mit retroperitonealem Hämatom. Kein Urinextravasat.
Grad IV:
Parenchymeinriss mit Eröffnung des Hohlsystems und Urinextravasat. Verletzung der Nierenarterie oder Nierenvene mit begrenzter Blutung (und segmentalem Funktionsausfall).
Grad V:
Komplett zerrissene Niere. Hilusgefäßaussriss. Hilusgefäßdissektion, vollständiger Ausfall der Nierendurchblutung.
Therapie des Nierentraumas
Konservatives Management:
Konservatives Management bei Nierentrauma unter Grad IV (kein Urinextravasat) mit stabilisierbarem Kreislauf. Wichtig sind Bettruhe bis zum Aufklaren des Urins und engmaschige Verlaufskontrollen von Vitalparametern und Blutbild. Fallender Hb-Wert, Flankenschmerzen und Fieber sind Indikationen für eine erneute Bildgebung mit Sonographie oder ggf. Computertomographie.
Selektive Embolisation:
Indiziert bei Patienten mit stabilen Kreislauf und mit signifikanter aktiver Blutung in der Bildgebung. Ziel ist die Reduktion des Blutverlustes und die Verhinderung einer Nierenfreilegung oder Nephrektomie.
Harnleiterschienung:
Eine Harnleiterschienung ist indiziert bei Urinombildung: Einlage eines MJ/DJ-Harnleiterschiene oder einer perkutanen Nephrostomie. Große (verzögert diagnostizierte) Urinome werden perkutan drainiert und zusätzlich eine Harnleiterschiene eingelegt. Eine prophylaktische Antibiotikatherapie wird häufig empfohlen. Die Einlage eines Dauerkatheters mindert den Reflux und damit die Extravasation von Urin.
Operative Freilegung:
Absolute Indikationen für die Laparotomie/operative Nierenfreilegung:
- Nicht stabilisierbare Kreislaufsituation bei Nierenblutung
- Grad V Nierenverletzung mit zunehmendem retroperitonealem Hämatom
- Traumatische Trennung von Harnleiter und Nierenbecken
Absolute Indikationen für die Laparotomie/operative Nierenfreilegung:
- Urinextravasat mit devitalisiertem Nierengewebe über 25%
- Begleitendende intraabdominelle Verletzungen
- Schusswunden
- Pathologisches intraoperatives Urogramm, falls eine Laparotomie ohne vorherige Bildgebung durchgeführt werden musste und ein retroperitoneales Hämatom entdeckt wurde
Technik der Nierenfreilegung:
transperitoneale Nierenfreilegung unter Cell-Saver- und Transfusionsbereitschaft mit schnellem Aufsuchen des Gefäßstiels. Unter einer temporären Ischämie Versuch der Blutstillung bei erhaltenswürdiger Niere. Nierendefektdeckung mit Vicrylnetz, Peritoneum oder Omentum majus. falls erforderlich Urinableitung per Nephrostomie.
Indikationen zur Nephrektomie: komplette Nierenzerschmetterung, Gefäßstielabriss mit fehlender Rekonstruktionsmöglichkeit, komplette Ischämie der Niere oder hämodynamisch instabiler Patient aufgrund aktiver Blutung.
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Literatur Nierenverletzung
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