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Von Dirk Manski

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Harnleiterschiene oder Ureterschiene: Technik und Nebenwirkungen


Harnleiterschienen, auch Ureterschienen genannt, sind dünne Katheter, die im Harnleiter platziert werden. Sie leiten den Urin aus dem Nierenbecken ab und stellen so den Urintransport über den Harnleiter sicher. Innere Harnleiterschienen leiten den Urin aus dem Nierenbecken in die Harnblase [Abb. DJ]. Äußere Harnleiterschienen leiten den Urin aus dem Nierenbecken transurethral, transkutan oder über ein Stoma nach außen in einen Urinbeutel ab.

Synonyme für Harnleiterschienen:

(Ureter- oder Harnleiter) -Katheter, -Schienen, -Splints, -Stents.


Beidseitig eingelegte DJ-Ureterschienen aufgrund eines postrenalen Nierenversagens.
Abbbildung Beidseitig eingelegte DJ-Harnleiterschiene

Innere Harnleiterschienen

Definition:

Intravesikal ausgeleitete Harnleiterschiene, die mit Hilfe zweier Katheterkringel in Harnblase und Nierenbecken positioniert wird. Aufgrund der typischen Katheterform wird auch von einer Doppel-J- oder DJ-Ureterschiene gesprochen.

Indikationen für eine innere Harnleiterschiene:

Die Indikationen für eine innere Harnleiterschiene sind in folgender Aufzählung zusammengefasst. Bei längerfristiger Indikation sind regelmäßige Wechsel der Harnleiterschiene im Abstand von 3–6 Monaten notwendig, bei schneller Inkrustation mit Harnstau und Infektion auch früher.

Kontraindikationen für eine innere Harnleiterschiene

Aufbau und Material von inneren Harnleiterschienen

Innere Harnleiterschienen werden i.d.R. aus Polyurethran, Silikon oder proprietären Polymeren (C-flex, Silitek, Percuflex oder Tecoflex) gefertigt. Je nach Material weisen sie eine unterschiedliche Steifigkeit (Memory-Effekt), Gleiteigenschaften und Tendenz zur Inkrustation auf. Randomisierte Studien mit Vergleich der verschiedenen Materialien liegen jedoch nicht vor. Harnleiterschienen unterscheiden sich außerdem in Form, Länge, Dicke und technischen Besonderheiten.

Form der DJ-Harnleiterschienen:

Die innere Ureterschiene besitzt an den Enden zwei Einrollenden, die jeweils im Nierenbecken und in der Harnblase positioniert werden. Die Enden der Ureterschiene sind mit Löchern (Augen) perforiert. Bei manchen Fabrikaten ziehen sich die Augen über die gesamte Ureterschiene. Die Enden der Ureterschiene sind entweder zentral offen oder abgerundet und geschlossen. Zentral offene Ureterschienen bieten den Vorteil eines einfachen Wechsels in Seldinger-Technik.

Länge von Ureterstents:

Die notwendige Länge einer Ureterschiene wird mit der retrograden Pyelographie bestimmt (am häufigsten zwischen 26–34 cm bei Erwachsenen). Entscheidende Parameter sind der Abstand des Nierenbeckens von der Harnblase und das Ausmaß einer Ureterschlängelung (Kinking). Die Messpunkte für die Längenangabe der Harnleiterschiene unterscheiden sich je nach Hersteller.

Durchmesser von Ureterstents:

Der Außendurchmesser wird in Charrière (Ch) angegeben, am häufigsten werden 6–8 Ch Harnleiterschienen verwendet. Dünne Harnleiterschienen werden bei der prophylaktischen Ureterschienung nach URS und nach Steintherapie verwendet. Dicke Harnleiterschienen werden bei Urinomen, Blutung des oberen Harntrakts, nach Therapie von Harnleiterstrikturen und bei schneller Inkrustation mit häufigen Wechselintervallen eingesetzt.

Technische Besonderheiten von Harnleiterschienen:

Zusätzlich zu den o.g. prinzipiellen Eigenschaften der Harnleiterschienen gibt es noch zahlreiche weitere technische Variationen, die in besonderen Situationen hilfreich sind:

Technik der Einlage einer DJ-Harnleiterschiene

Über den Arbeitskanal des Zystoskops wird mithilfe eines Ureterkatheters eine retrograde Pyelographie durchgeführt und ein Arbeitsdraht bis in das Nierenbecken vorgeschoben (siehe Kapitel Ureterorenoskopie (URS)). Anschließend wird die DJ-Harnleiterschiene über den liegenden Arbeitsdraht mithilfe einer Einführhülse (Pusher) vorgeschoben, bis der proximale Kringel sich im Nierenbecken oder in einer Kelchgruppe befindet. Nach der richtigen Positionierung der Harnleiterschiene kringelt sich das distale Ende in der Harnblase, wenn der Arbeitsdraht entfernt wird.

Schwierige Situationen:

Okkludierende Harnleitersteine, Strikturen oder Ureterkinking können mit hydrophil beschichteten Arbeitsdrähten gut überwunden werden. Manchmal ist der Widerstand beim Vorschieben der Harnleiterschiene jedoch zu groß für einen flexiblen Arbeitsdraht. In diesem Fall kann mithilfe eines dünnen Ureterkatheters auf einen starren Draht gewechselt werden. Nun kann die Harnleiterschiene mit mehr Kraft gegen den Widerstand bis ins Nierenbecken vorgeschoben werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Arbeitsdraht stets gestreckt bleibt und sich keine Schleifen in der Harnblase bilden. Wenn eine retrograde Sondierung und Harnleiterschieneneinlage scheitert, ist die perkutane Nephrostomie oder antegrade Harnleiterschieneneinlage eine Alternative.

Nebenwirkungen und Komplikationen von inneren Harnleiterschienen

Am häufigsten sind Miktionsbeschwerden mit irritativen Symptomen (Pollakisurie, Dysurie) sowie Flankenschmerzen während und nach der Miktion (Schmerz durch vesikoureteralen Reflux).

Inkrustation:

Verstopfung/Verkrustung der Harnleiterschiene durch Biofilmbildung mit erneutem Harnstau. Die Entfernung einer „vergessenen” Harnleiterschiene ist durch eine massive Steinbildung äußerst problematisch [Abb. Massive Steinbildung an einer vergessenen DJ-Harnleiterschiene].


Abbildung: Steinbildung am DJ Abbildung dislozierter DJ
Dislokation:

Bei der Dislokation nach kranial schlupft der distale Kringel in den Harnleiter und es entsteht Harnstau. Die Dislokation nach kaudal führt zum Eintreten des distalen Kringels in die Harnröhre, durch das Überwinden des Schließmuskels resultiert eine Harninkontinenz [Abb. dislozierte DJ-Harnleiterschiene].

Weitere Komplikationen:

Infektionen, Verletzung mit Urinombildung, sehr selten Fistelung in Nachbarorgane (Darm oder Gefäßsystem).

Entfernung von DJ-Ureterschienen

Äußere Harnleiterschienen

Ureterkatheter (UK) für die Diagnostik:

Ureterkatheter für die Diagnostik sind 3–10 Ch dicke Polyurethan- oder PVC-Katheter, die für eine Harnleitersondierung und retrograde Pyelographie verwendet werden. Zentral offene Ureterkatheterspitzen (gerade oder gebogen) ermöglichen das einfache Einlegen eines Arbeitsdrahtes für koaxiale Arbeitstechniken nach der retrograden Pyelographie. Weitere Spitzenformen sind die Olivenspitze (erleichtert das Sondieren) oder die Chevassu-Spitze (konische Verdickung) für eine optimierte retrograde Pyelographie.

MJ-Ureterkatheter zur Harnableitung:

Harnleiterschiene (Material siehe innere Harnleiterschiene) mit nur einem Einrollende, welches im Nierenbecken positioniert wird. Äußere Harnleiterschienen transportieren den Urin vom Nierenbecken transurethral, transkutan oder über ein Stoma nach außen. An dem äußeren Ende wird ein Urinbeutel angeschlossen. Bei transurethraler Anwendung wird die äußere Harnleiterschiene am Meatus externus der Harnröhre an einem Harnblasenkatheter fixiert. Äußere Harnleiterschienen können einfach entfernt werden, zusätzliche Vorteile ist die Anspülbarkeit bei erhöhter Gefahr einer Verstopfung (Hämaturie, Pyurie). Da transurethrale MJ-Ureterkatheter unangenehm sind und leicht dislozieren, sollte ihre Anwendung nur auf eine kurze Zeit in folgenden Situationen erwogen werden:

Harnleiter-Okklusionskatheter:

Ein Harnleiter-Okklusionskatheter ist ein Ureterkatheter (meist aus Polyurethan) mit blockbaren Latex-Ballon. Indikation: Verschluss des Harnleiters am Harnleiterabgang vor einer perkutanen Nephrolithotomie, um eine Steindislokation in den Harnleiter zu vermeiden und um die Punktion zu vereinfachen.

Komplikationen von äußeren Harnleiterschienen:








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Literatur

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Wang X, Ji Z, Yang P, Li J, Tian Y. Forgotten ureteral stents: a systematic review of literature. BMC Urol. 2024 Mar 5;24(1):52. doi: 10.1186/s12894-024-01440-9.

  English Version: Material, insertion technique and complications of ureteral stents (DJ and MJ)

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