Dr. med. Dirk Manski

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Bilharziose: Urogenitale Schistosomiasis

Zusammenfassende Literatur Schistosomiasis: (Ghoneim, 2002) (Ross u.a., 2002).

Definition der Schistosomiasis

Die urogenitale Bilharziose (Schistosomiasis) ist eine durch Schistosoma haematobium ausgelöste urogenitale Erkrankung mit Besiedelung des perivesikalen Venenplexus mit Saugwürmern. Synonym: Bilharziose.

Schistosoma mansoni und S. japonicum persistieren in den Darmvenen und verursachen Darm- und Lebererkrankungen.

Epidemiologie der Bilharziose

Ätiologie der Schistosomiasis

Erreger der Bilharziose:

der Saugwurm Schistosoma haematobium verursacht die urogenitale Schistosomiasis. S. mansoni und S. japonicum verursachen die hepatische Schistosomiasis.

Erregerkreislauf:

der infizierte Mensch ist der Endwirt, eine Süßwasserschnecke der Zwischenwirt.

Zwischenwirtstadien:

Der infizierte Mensch (Endwirt) gibt die Eier [Abb. 1.4] über den Urin oder Stuhl in das Süßwasser ab.
Aus den Eiern werden Mirazidien frei und infizieren bestimmte Schneckenarten (Bulinus spec.). In der Schnecke entwickeln sich infektiöse Larven (Zerkarien), welche in das Wasser zurückkehren. Aus einer Mirazidie entstehen 105 Zerkarien.

Ei von Schistosoma haematobium Bilharziose Schistosomiasis
Abbildung 1.4: Bilharziose: Ei von Schistosoma haematobium: Eigröße 100 μm, ovale Form mit einer Spitze an einem Ende, ungefähr 500fache Vergrößerung. Abbildung von der Public Health Image Library, Center for Disease Control and Prevention, USA, https://phil.cdc.gov/.
Endwirtstadien:

die Zerkarien penetrieren die menschliche Haut beim Baden und gelangen über die Lymph- und Blutbahn ins Venensystem. Dort reifen sie und finden ihren Geschlechtspartner. Gemeinsam wandern die adulten Wurmpaare in den perivesikalen Venenplexus, dort leben sie ineinander verschlungen bis zu 10 Jahre. Die genaue Wanderung im Körper und ihre Steuerung ist unklar.
Die Eiablage findet in den submukösen venösen Kapillaren von Harnblase und Rektum statt, von dort gelangen die Eier über den Urin (und Stuhl) in die Umwelt. Ein Wurmpaar legt ungefähr 200–500 Eier pro Tag.

Pathophysiologie der Bilharziose:

die abgelegten Eier führen zu einer ausgeprägten granulomatösen Entzündungsreaktion mit Fibrose. Durch die lange Lebenserwartung der Würmer und Reinfektionen entsteht eine chronische Fibrose der Urogenitalorgane mit obstruktiver Uropathie. Das Immunsystem entwickelt eine ausgeprägte Reaktion gegen Oberflächeneigenschaften der Eier und der verschiedenen Wurmstadien, sodass die Krankheitsaktivität vom Immunsystem gebremst wird.

Spätfolgen der obstruktiven Uropathie sind die Steinbildung und die Urämie. Weiterhin können ausgehend von der chronischen Entzündungsreaktion (Plattenepithel)-Karzinome der Harnblase entstehen.

Klinik der Schistosomiasis

Lokale Dermatitis:

an der Eintrittspforte, meist zwischen den Zehen (swimmer’s itch). Die lokale Dermatitis kann auch durch Zerkarien nicht humanpathogener Schistosomen ausgelöst werden (Fehlwirt).

Akute Schistosomiasis:

auch Katayama-Fieber genannt. Typisch für die erste Exposition der Bilharziose, welche meist von der einheimischen Bevölkerung nicht erinnert wird und somit meist bei Reisenden auftritt. Das Krankheitsstadium korreliert mit der ersten Eiablage der adulten Würmer, dies tritt 3–12 Wochen nach Infektion auf. Beschwerden: Fieber, Lymphadenopathie, Splenomegalie, Eosinophilie, Urtikaria.

Aktive Schistosomiasis:

Stadium der Eiablage der Bilharziose. In endemischen Gebieten meist im Kindes- und Jugendalter. Beschwerden: Hämaturie und terminale Dysurie, Pyurie. Häufig Koinfektion mit Chlamydia trachomatis.

Chronische Schistosomiasis:

Beschwerden:

Abnehmende Intensität der Hämaturie und Dysurie, es entwickelt sich die zunächst klinisch stumme obstruktive Uropathie. Die Erkrankung schreitet durch weitere Schrumpfung der fibrotischen Areale auch nach dem Absterben der Würmer fort.

Hydronephrose:

mit funktionslosen Nieren, evtl. kompliziert durch Superinfektion, rezidivierende Koliken. Die Ureterstrikturen sind meist distal.

Urolithiasis:

Harnsteine entstehen durch die Urinstase und rezidivierende Harnwegsinfekte.

Harnblase:

allmähliche Verkleinerung der Harnblasenkapazität, subvesikale Obstruktion durch eine Harnblasenhalssklerose, narbige Schrumpfblase mit Inkontinenz.

Rezidivierende Salmonelleninfekte:

die Salmonellen besiedeln die Würmer und sind dort vom Immunsystem nicht angreifbar. Es entstehen Harnwegsinfekte, Bakteriämien bis Sepsis.

Hämatospermie:
Blut im Sperma bei Eiablagerungen in den Samenblasen.
Befall der weiblichen Genitale:

möglich sind Dyspareunie, Zervixstenose mit verhinderter Muttermundreifung während der Geburt, Retention von Menstruationsblut, verminderte Fruchtbarkeit und eine erhöhte Rate an EUG bei Tubenverschluss. Ein niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburtlichkeit ist bei Plazentabefall möglich, eine fetale Schistosomiasis ist bisher nicht publiziert worden.

Harnblasenkarzinom:

die Ausbildung eines Harnblasenkarzinoms beginnt in einem relativ frühen Lebensalter von 40–50 Jahren. Histologisch überwiegt mit 60 % das Plattenepithelkarzinom, in 10 % entsteht ein Adenokarzinom. Die Hälfte der Tumoren ist gut differenziert (G1) und hat eine gute Prognose. Die Tumoren wachsen exophytisch und stoßen nekrotische Tumormassen ab, deren Ausscheidung pathognomonisch ist (Nekroturie).

Diagnostik der Schistosomiasis

Urinsediment:

Größe der Bilharziose-Eier 100 μm, ovale Form mit einer Spitze an einem Ende. Die Krankheitsintensität kann anhand der Anzahl der Eier in 10 ml Mittagsurin eingeteilt werden: leicht (unter 100), mittel (101–250), schwer (über 250). Weiterhin zeigt das Urinsediment Hämaturie, Proteinurie und Leukozyturie.

Stuhluntersuchung:

Nachweis von Blut und Eiern.

Rektumschleimhautbiopsie:

bei klinischem Verdacht und fehlendem Einachweis in Urin oder Stuhl.

Labor:

serologischer Infektionsnachweis mit Western blot.

Sonographie:

Detektion von Harnstauungsnieren, Verdickung der Harnblasenwand (mit oder ohne Verkalkung), Messung der Harnblasenkapazität.

Urogramm:

Harnblasenwandverkalkung, Hydronephrose, funktionslose Niere, Harnblasen- oder Ureterfüllungsdefekte, Restharnbildung.

Computertomographie:

Alternative zum Urogramm.

Zystoskopie:

das Spektrum der Harnblasenschleimhautveränderungen bei Bilharziose ist reichhaltig: entzündliche Hyperämie mit bullöser Schleimhaut, hyperämische (blutende) polypoide Tumoren, ulzeriende Läsionen. Sandy patches sind weißliche stecknadelkopf- bis erbsgroße Vorwölbungen, welche verkalkten nicht ausgeschiedenen Eiern entsprechen [Abb. Zystoskopie mit "sandy patches"]. Von verdächtigen Läsionen wird eine Biopsie entnommen (oder TURB) und mikroskopisch auf Eier untersucht [Histologie der Schistosomiasis].


Zystoskopie mit "sandy patches" bei Bilharziose in der Harnblase. Mit freundlicher Genehmigung, Prof. Dr. R. Harzmann, Augsburg.
Abbildung Zystoskopie mit sandy patches bei Schistosomiasismanifestation Bilharziose in der Harnblase


Histologie Chronische Schistosomiasis (Bilharziose) der Harnblase: im Resektat finden sich innerhalb von eosinophilen Infiltraten viele Eier eingelagert. Abbildungen von Dr. Edwin P. Ewing, Jr. Public Health Image Library, Center for Disease Control and Prevention, USA, https://phil.cdc.gov/.
Chronische Schistosomiasis der Harnblase Bilharziose

Therapie der Schistosomiasis

Medikamentöse Therapie der Bilharziose:

Praziquantel:

Die Tagesdosis Praziquantel beträgt 40 mg/kgKG. Die Erfolgsquote der Einmalgabe liegt bei S. haematobium zwischen 85–99 %. Die deutsche Leitlinie zur Therapie des Schistosomiasis empfiehlt eine Therapiedauer von drei Tagen zur Vermeidung eines Rezidivs. Die Empfehlungen der WHO zur Therapie von Risikopatienten in Endemiegebieten wird nach der Prävalenz der Schistosomiasis gestaffelt, bei hohem Risiko wird die jährliche Einmalgabe der o.g. Tagesdosis empfohlen.

Zukunftaussichten:

Oxadiazole sind im Tierversuch erfolgreich.

Operative Therapie der Bilharziose:

Partielle Zystektomie:

bei tiefen ulzerierenden Läsionen der Harnblase.

Harnblasenaugmentation:

bei narbiger Schrumpfblase ohne Beteiligung der Ureteren. Bei ausgeprägtem Befall ist eine supravesikale Harnableitung notwendig.

Harnleiterreimplantation:

evtl. mit Boari-Harnblasenlappen bei distalen Ureterstrikturen, welche nach konservativer Therapie persistieren. Bei langstreckigem Ureterbefall Ureteroileozystostomie, bei beidseitigem ausgeprägten Befall ist eine supravesikale Harnableitung notwendig.

Radikale Zystektomie:

mit Harnableitung bei Karzinommanifestation.






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Literatur Schistosomiasis

Ghoneim 2002 GHONEIM, M. A.: Bilharziasis of the genitourinary tract.
In: BJU Int
89 Suppl 1 (2002), S. 22–30

Ross u.a. 2002 ROSS, A. G. ; BARTLEY, P. B. ; SLEIGH, A. C. ; OLDS, G. R. ; LI, Y. ; WILLIAMS, G. M. ; MCMANUS, D. P.: Schistosomiasis.
In: N Engl J Med
346 (2002), Nr. 16, S. 1212–20