Dr. med. Dirk Manski

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Medikamentöse Androgendeprivation bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom



Zusammenfassende Literatur: (Anderson, 2003) (Loblaw u.a., 2004) (Miyamoto u.a., 2004).

Indikationen zur Androgendeprivation

Die Androgendeprivation ist eine Therapieoption bei einem fortgeschrittenem Prostatakarzinom, siehe Kapitel [Hormontherapie des Prostatakarzinoms]:

Substanzklassen zur medikamentösen Androgendeprivation

Androgenrezeptorblocker:

nichtsteroidale Medikamente sind Bicalutamid und Flutamid. Cyproteronacetat ist ein Steroidhormon mit antagonistischen Eigenschaften am Androgenrezeptor und einer gestagenen Wirkkomponente, welche eine zusätzliche zentrale Hemmung der Testosteronkonzentration vermittelt.

GnRH-Analoga:

Buserelin, Goserelin, Histrelin, Leuprorelin, Triptorelin.

GnRH-Antagonisten:

Abarelix, Degarelix.

Östrogene:

Fosfestrol

Hemmer der Testosteronbiosynthese:

Abirateron

Moderne Androgenrezeptorblocker:

Enzalutamid, Apalutamid, Darolutamid.

Grundzüge der Androgendeprivation

Optionen der Hormontherapie gegen das metastasierte Prostatakarzinom: (*) zu Beginn der GnRH-Therapie gleichzeitige Gabe von Antiandrogenen gegen die Wirkung einer passageren Testosteronerhöhung. (**) siehe Abb. intermittierende Hormontherapie.
Flussdiagramm: Hormontherapie des metastasierten Prostatakarzinoms

Kontinuierliche Androgendeprivation (Standardhormontherapie):

Die kontinuierliche Androgendeprivation ist die am häufigsten praktizierte Hormontherapie des metastasierten Prostatakarzinoms. Zur Auswahl für die Androgendeprivation stehen neben der Orchiektomie zum einen nichtsteroidale Androgenrezeptorantagonisten, GnRH-Analoga oder GnRH-Antagonisten zur Verfügung.

Intermittierende Hormontherapie:

Eine Therapieoption bei niedriger Tumorlast. Ziel der intermittierenden Hormontherapie ist die Senkung der Nebenwirkungsrate durch Minimierung der Zeit unter Hormontherapie, dies ist für die Libido, Erektion, Hitzewallungen und allg. körperliches Wohlbefinden durch Studien belegt. Die Hormontherapie wird in Abhängigkeit der Ausgangs-PSA-Konzentration bis zu einem bestimmten PSA-Nadir durchgeführt, dann folgt eine Therapiepause bis zu einem bestimmten PSA-Progress, welcher wieder die Indikation zu einem weiteren Zyklus Hormontherapie festlegt. Die Testosteronkonzentration erreicht auch nach mehreren Zyklen Hormontherapie wieder Normalwerte [Abb. 2.4].

Kombinierte Hormontherapie:

kontinuierliche Androgendeprivation kombiniert mit klassischen (früher als maximale Androgenblockade bezeichnet) oder modernen Androgenrezeptorblockern oder Hemmern der Testosteronsynthese, siehe Abschnitt Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms.

Allgemeine Nebenwirkungen der Androgendeprivation

Die antiandrogene Therapie zeigt insbesondere bei langfristiger Anwendung erhebliche Nebenwirkungen. Androgenrezeptorblocker senken nicht die Testosteronkonzentration und verursachen weniger Nebenwirkungen (Ausnahme Gynäkomastie) als Orchiektomie oder GnRH Agonisten und Antagonisten. Allgemeine Maßnahmen zur Prophylaxe unten aufgeführter Nebenwirkungen sind die Steigerung der körperliche Aktivität, Anstreben eines normalen Körpergewichts, vitaminreiche gesunde Ernährung und Nichtrauchen.

Hitzewallungen und Schwitzen:

häufige Nebenwirkung, diese sollte nur bei starker Manifestation behandelt werden. Therapieoptionen sind (off-label Anwendung) Clonidin (1 mg/d), Cyproteronacetat, Venlafaxin oder Paroxetin (Loprinzi u.a., 2004).

Verminderte Erektionsfähigkeit und Libido:

Die Hormontherapie führt zur einer ausgeprägten erektilen Dysfunktion (über 80%) und Libidoverlust (über 95%). Eine effektive Therapie des Libidoverlusts ist nicht möglich, der Leidensdruck hinsichtlich der sexuellen Funktionsstörung ist jedoch gering. Therapeutischen Optionen gegen die erektile Dysfunktion (PDE5-Hemmer oder SKAT) werden selten gewünscht. Eine langfristige ADT führt zu einer Verringerung sowohl der Penislänge als auch der Hodengröße.

Gynäkomastie:

Die Gynäkomastie ist eine sehr häufige Nebenwirkung bei Androgenrezeptorantagonisten. Bei alleiniger Gabe von 150 mg Bicalutamid beträgt das Gynäkomastierisiko deutlich über 70% nach einem Jahr. Die prophylaktische einmalige Bestrahlung der Brustdrüsen vor Therapiebeginn mit 12–18 Gy senkt deutlich das Risiko (auf 30 bis 50%) (Widmark u.a., 2003) (Tyrrell u.a., 2004) Das Risiko der Gynäkomastie für eine kombinierte Hormontherapie ist geringer und beträgt etwa 20%, bei der alleinigen Anwendung von GnRH Agonisten und Antagonisten ist die Gynäkomastie selten.

Die prophylaktische Gabe von Tamoxifen ist potenter als die Bestrahlung um die Häufigkeit der Gynäkomastie zu reduzieren (10 % vs. 30–50%). Die Dosierung von Tamoxifen beträgt 20 mg/d. Die Wirkung von Tamoxifen scheint nicht die Hormontherapie und das biologische Verhalten des Prostatakarzinoms zu beeinflussen (Fradet u.a., 2007). Eine weitere Therapieoption ist die subkutane Mastektomie.

Psychische Störungen:

die Gedächtnisfunktion wird durch die antiandrogene Hormontherapie gestört. Weiterhin sind eine verminderte Libido, körperliche Schwäche, Müdigkeit und Depressionen (RR 8) gehäuft.

Metabolische Veränderungen:

Die Androgendeprivation führt zur einem Verlust an Muskelmasse und Zunahme des Körperfetts, nach einem Jahr hat das Körpergewicht durchschnittlich 2–4% zugenommen. Das Risiko für ein metabolisches Syndrom und für Typ II Diabetes wird ebenfalls deutlich erhöht (Yu u.a., 2014).

Osteoporose und Frakturen:

Die Osteoporose ist eine häufige Komplikation der langfristigen Hormontherapie durch Kastration, GnRH-Analoga oder GnRH-Antagonisten (Diamond u.a.,2004b). Das Frakturrisiko beträgt für Männer mit einer Überlebensrate von über 5 Jahren 19% mit ADT versus 13% ohne ADT. Die Gabe von Androgenrezeptorblockern (z.B. Bicalutamid) sind nicht mit einer Osteoporose assoziiert (Sieber ua.a, 2004) (SmithMR, 2004). Alle Patienten mit einer langfristigen Prognose sollten prophyaktisch Vitamin D (800–1000 IU) und Calcium (1000 mg) erhalten. Zusätzlich Therapieoptionen gegen die Osteoporose sind Bisphosphonate [Zoledronat] oder Denosumab.

Kardiovaskuläre Risiken:

Die antiandrogene Therapie führt zu einer Zunahme kardiovaskulärer Erkrankungen (in Klammern das relative Risiko): KHK (RR 1,2), Herzinfarkt (RR 1,1), lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen oder plötzlicher Herztod (RR 1,16). Die kardiovaskuläre Mortalität steigt im Vergleich zur Placebogruppe um 1–6%, je nach Studie und Nachbeobachtungszeit Levine u.a. (2010).

Anämie:

Bei langfristiger ADT entsteht eine normochrome normozytäre Anämie, welche gut auf Erythropoetin anspricht Choo u.a. (2005).






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Literatur Antiandrogene Hormontherapie

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