Dr. med. Dirk Manski

Prune-belly-Syndrom: Ursachen, Diagnose und Therapie

Definition des Prune-Belly-Syndroms

Das Prune-belly-Syndrom ist charakterisiert durch die Trias Bauchmuskelhypoplasie, hypotone und dilatierte ableitende Harnwege und bilateraler Kryptorchismus (Burbige u.a., 1987) (Greskovich u.a., 1988). Die dünne und schlaffe Abdominalhaut, welche wie eine getrocknete Pflaume aussieht, ist namensgebend. Synonyme: Triad-Syndrom, Eagle-Barret-Syndrom.

Epidemiologie

1 pro 40 000 Geburten. 95 % Jungen. Bei Mädchen i. d. R. ohne Defekte der ableitenden Harnwege.

Ätiologie des Prune-Belly-Syndroms

Eine Entwicklungsstörung der lateralen und intermediären Mesodermplatte erklärt sowohl die Fehlbildung der harnableitenden Organe als auch den Bauchwanddefekt. Die gestörte Mesodermentwicklung stört auch die Entwicklung des mesonephritischen (Wolff) und paramesonephritischen (Müller) Ganges.
Die subvesikale Obstruktion wird durch eine Entwicklungsstörung der Prostata und Samenwege erklärt, die sich aus dem Mesoderm entwickeln. Ausgehend von einer subvesikalen Obstruktion entsteht eine Dilatation der Harnblase und Harnleiter. Ein zusätzlicher Mechanismus für die Dilatation der Harnwege kann eine Entwicklungsstörung des Mesoderms sein.

Pathologie des Prune-Belly-Syndroms

Nieren:

Hydronephrose beidseits, manchmal Nierendysplasie.

Harnleiter:

Massive Dilatation der Ureteren mit Gartenschlauchphänomen und sekundären Stenosen. Verminderte glatte Muskelzellen in der Ureterwand führen zu einer gestörten oder fehlenden Peristaltik.

Harnblase und Harnröhre:

Lateralisierte Ostien, in 85 % mit vesikoureteralem Reflux. Elongierte vergrößerte Harnblase, oft mit offenem Urachusdivertikel. Verminderte glatte Muskulatur in der Harnblasenwand mit Ersatz durch Bindegewebe. Erweiterter Harnblasenhals und starke Dilatation und Elongation der prostatischen Harnröhre. Relative Enge der membranösen Harnröhre. Prostatahypoplasie. Manchmal auch Dilatation der penilen Harnröhre (Megalourethra).

Hoden:

Beidseitiger Kryptorchismus, meist Bauchhoden.

Bauchwand:

Hypoplasie bis Aplasie der Muskulatur im unteren und medialen Anteil der vorderen Bauchwand.

Weitere Organfehlbildungen:

Herz (10 %), Lunge (50 %), Darm (30 %), Skelettsystem (50 %).

Klinik des Prune-Belly-Syndroms

Klassifikation des Prune-Belly-Syndroms (nach Campbells)

Kategorie I:

Oligohydramnion, schwere Nierendysplasie, schwere Lungenfehlbildungen; Überleben nur wenige Tage möglich. Tod durch Lungeninsuffizienz, Niereninsuffizienz oder Urosepsis.

Kategorie II:

Klinisches Vollbild des Prune-belly-Syndroms, eine spontane Miktion ist möglich. Die Patienten benötigen eine operative Behandlung in einem pädiatrisch-urologischen Zentrum.

Kategorie III:

Nur milde Symptome, initial oft keine Operation notwendig. Im Verlauf ist eine Kryptorchismustherapie notwendig.

Diagnostik des Prune-Belly-Syndroms

Laborwerte:

Kreatinin, Elektrolyte, Entzündungsparameter.

Ultraschall:

Hydronephrose? Nierenparenchymdicke? Urachusdivertikel? Restharn?

MCU:

Bei erhöhten Kreatininwerten und Restharn ist die Anlage einer suprapubischen Fistel und ein MCU notwendig (subvesikale Obstruktion? Vesikoureteraler Reflux? Besserung der Kreatininwerte nach Ableitung?)

Nierenfunktionsszintigraphie:

Mit Abflussstudien (DMSA- oder MAG3-Nierenszintigraphie).

Nierenbiopsie:

Im Rahmen einer operativen proximalen Harnableitung kann bei persistierend erhöhten Kreatininwerten eine Nierenbiopsie zur Beurteilung des Ausmaßes einer Nierendysplasie durchgeführt werden.

Therapie des Prune-Belly-Syndroms

Konservative Therapie:

Prophylaktische Circumcision, regelmäßige Urinkultur und testgerechte Antibiotikatherapie bei Harnwegsinfektionen. Bei vesikoureteralem Reflux wird eine prophylaktische Antibiose bis zur Korrektur verordnet. Die meisten Kinder der Kategorie III können konservativ behandelt werden.

Chirurgische Therapie:

bei den meisten Kindern der Kategorie II ist eine operative Therapie notwendig. Mit Ausnahme der kutanen Vesikostomie oder Pyelostomie werden alle korrigierenden Operationen möglichst nach Abschluss der Nierenentwicklung durchgeführt, die noch sechs Monate postnatal fortschreitet. Entscheidend für eine ungestörte Nierenentwicklung ist ein druckfreier Harnabfluss.

Pränataler vesikoamniotischer Shunt:

Fragliche Indikation aufgrund des unsicheren klinischen Erfolgs mit Gefährdung des Fetus und der Mutter.

Kutane Vesikostomie:

In den ersten Lebenstagen und -wochen bei progressiver Niereninsuffizienz. Die Alternative ist ein suprapubischer DK. Bei fehlender Besserung der Nierenfunktion nach Vesikostomie wird bei Ureterobstruktion eine kutane Pyelostomie angelegt.

Harnleiterreimplantation:

Uretermodellierung und Ureterozystoneostomie bei vesikoureteralem Reflux und rezidivierenden Infektionen.

Harnblasenreduktionsplastik:

Urachusdivertikelexzision oder Harnblasenteilresektion zur Reduktion der Harnblasenkapazität.

Urethrareduktionsplastik:

Bei Divertikeln der Urethra oder Megalourethra.

Korrektur des Kryptorchismus:

Am besten zusammen mit oben erwähnten Eingriffen. Je früher durchgeführt, desto seltener ist ein Fowler-Stephans-Manöver zur Verlagerung des Hodens notwendig.

Rekonstruktion der ventralen Bauchwand:

Technik nach Randolph, Ehrlich, Monfort oder extraperitoneale Technik.

Prognose des Prune-Belly-Syndroms

Ein postnatales Kreatininnadir von über 0,7 mg/dl ist prognostisch für ein zukünftiges Nierenversagen.






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Literatur

Burbige u.a. 1987 BURBIGE, K. A. ; AMODIO, J. ; BERDON, W. E. ; HENSLE, T. W. ; BLANC, W. ; LATTIMER, J. K.: Prune belly syndrome: 35 years of experience.
In: J Urol
137 (1987), Nr. 1, S. 86–90

Greskovich und Nyberg 1988 GRESKOVICH, 3rd ; NYBERG, Jr.: The prune belly syndrome: a review of its etiology, defects, treatment and prognosis.
In: J Urol
140 (1988), Nr. 4, S. 707–12