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Harnröhrenstriktur und Harnröhrenstenose: Ursachen und Therapie
Definitionen
Die Harnröhrenstriktur und Harnröhrenstenose ist eine Verengung der Harnröhre mit variablem Ausmaß an fibrotischem Gewebe (Gozzi u.a., 2008) (Peterson u.a., 2004). Die vordere Harnröhrenstriktur bezieht sich auf die Verengung der penilen und bulbären Harnröhre, welche vom Corpus spongiosum umgeben ist. Die anteriore Harnröhrenstriktur geht mit einer Spongiofibrose (Vernarbung des Corpus spongiosum) einher und wird am häufigsten durch Infektionen und direkte (iatrogene) Verletzungen verursacht. Hintere Harnröhrenstenose ist der bevorzugte Begriff für Verengungen der membranösen Urethra, der prostatischen Urethra oder des Blasenhalses, welche nicht vom Corpus spongiosum umgeben sind und nicht mit einer Spongiofibrose einhergehen. Eine Verengung der membranösen Harnröhre nach einer Beckenfraktur sollte als Harnröhren(distraktions)verletzung nach Beckenfraktur bezeichnet werden (Latini u.a., 2013).
Ätiologie (Ursachen) der Harnröhrenstriktur
Trauma:
die Distraktionsverletzung der membranösen Harnröhre durch ein Beckentrauma führt über eine narbige Defektheilung zu einer hinteren Harnröhrenstriktur. Das direkte Dammtrauma führt zur Kompressionsverletzung der bulbären Harnröhre mit dortiger Strikturentstehung. Auch banale initial komplikationslose Dammtraumata können nach Jahren eine Harnröhrenstriktur auslösen, dann wird jedoch das Trauma vom Patienten oft nicht mehr erinnert. Traumatische penile Harnröhrenstrikturen entstehen meist durch Manipulation durch die Harnröhre, d. h. v. a. iatrogen.
Infektionen:
die Gonorrhö hatte früher einen hohen Anteil bei der Genese der vorderen Harnröhrenstrikturen, durch eine rechtzeitige Antibiose ist diese Komplikation selten geworden. Für andere Urethritis-Erreger ist die ursächliche Beziehung zwischen Infektion und Harnröhrenstriktur nicht nachgewiesen.
Iatrogen:
nach endoskopischen Eingriffen oder längerfristigen Katheterisierungen entsteht eine Drucknekrose oder direkte Verletzung meist im bulbären Bereich. Risikofaktoren für die Strikturentstehung nach Katheterisierung sind: Latexkatheter, dicklumige Katheter, Schock, intensivpflichtige Patienten, Harnwegsinfektion. Die TURP mit Antibiotikaprophylaxe und früher Katheterentfernung senkt die Strikturrate.
Harnblasenhalsstenose:
Die narbige Enge des Harnblasenauslasses ist eine typische Komplikation nach TURP.
Membranöse Harnröhrenstenosen:
nach Strahlentherapie oder Operation des Prostatakarzinoms.
Balanitis xerotica obliterans:
zunehmende Häufigkeit, führt zu Strikturen der Fossa navicularis. In der Folge kann durch Urinextravasation in die periurethralen Drüsen eine narbige Strikturerkrankung der gesamten Harnröhre entstehen.
Angeboren:
Sehr selten, wenn (per definitionem) nur Kinder vor der Gehfähigkeit und ohne Trauma oder Infektion in der Vorgeschichte berücksichtigt werden.
Pathologie der Harnröhrenstriktur
Je nach Ausmaß der fibrotischen Reaktion um die Harnröhrenenge werden epitheliale oder spongiofibrotische Harnröhrenengen unterschieden. Sehr selten sind maligne Harnröhrenengen, siehe Kapitel Penis/Malignome der männlichen Harnröhre.
Klinik der Harnröhrenstriktur
Obstruktive Miktionssymptome (Schwacher Harnstrahl, Schwacher Harnstrahl, Restharnbildung, Harnverhalt), irritative Miktionssymptome wie Pollakisurie und Nykturie. Harnwegsinfekte, Prostatitis, Epididymitis. Durch eine Palpation kann der fibrotische Anteil der Harnröhrenstriktur eingeschätzt werden.
Diagnose der Harnröhrenstriktur
Harnstrahlmessung:
Eine Harnröhrenenge erzeugt ein typisches Bild bei der Harnstrahlmessung: das Maximum der Harnflusses wird schnell erreicht und zeigt bei langer Miktionsdauer ein langstreckiges gerades Plateau. Der maximale Flow liegt typischerweise unter 10 ml/s (siehe Kapitel Urologische Untersuchungen/Urodynamik).
Retrograde Urethrographie:
wichtig für die Therapieplanung ist die korrekte Bestimmung der Strikturlänge. Dazu sind Aufnahmen mit senkrechtem Strahlengang zur Harnröhre notwendig, insbesondere bei bulbären Strikturen ist eine deutliche Schräglagerung des Patienten notwendig [Abb. retrograde Urethrographie 1 und MCU und retrograde Urethrographie 2].
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MCU:
Das MCU ist zur Diagnostik bei proximalen Strikturen geeignet [Abb. MCU bei bulbärer Harnröhrenenge].
Sonographie:
Nach Füllung der Harnröhre mit einem Gleitmittel kann bei bulbären Harnröhrenengen die Länge korrekt identifiziert werden, welche bei der retrograden Urethrographie unterschätzt wird. Weiterhin ist die Einschätzung der Fibrose um die Striktur möglich, dies ist für die Therapieplanung von Bedeutung.
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Zystoskopie:
Inspektion der Striktur [Abb. 2.18], bei Malignitätsverdacht mit Biopsien. Kinderzystoskope oder Ureterorenoskope sind hilfreich bei engen Harnröhren.
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Therapie der Harnröhrenstriktur
Erstversorgung bei Harnverhalt:
Dünner transurethraler Dauerkatheter oder suprapubischer Dauerkatheter. Eine transurethrale Bougierung sollte nur von erfahrenen Urologen durchgeführt werden (siehe unten).
Urethrotomia interna:
Mittel der Wahl als erster Therapieversuch von kurzstreckigen Harnröhrenstrikturen ohne ausgeprägte fibrotische Reaktion.
Technik:
transurethrale Inzision der Striktur bei 12 Uhr (Technik und Komplikationen siehe Kapitel Operationstechniken/Urethrotomia interna). Die Urethrotomia interna nach Sachse verwendet ein kaltes Messer. Alternativ kann die Striktur mit Hilfe einer Laserfaser durchtrennt werden (Nd:YAG, Holmium, KTP...). Die Urethromie nach Otis wird palliativ bei längerstreckigen Harnröhrenengen verwendet.
Ergebnisse:
Heilung der Striktur zwischen 20–70 %. Ein Rezidiv kann bis zu 3 Jahre nach Schlitzung auftreten. Das Risiko einer Rezidivstriktur kann durch (Selbst)Bougierungen gesenkt werden, welche in Intervallen nach der Urethrotomie durchgeführt werden. Eine zweite Sitzung nach Rezidivstriktur erhöht kaum die Heilungsquote. Am besten sind die Ergebnisse bei kurzstreckigen bulbären Strikturen ohne ausgeprägte Spongiofibrose (Heilung in 74 %), am schlechtesten längere penile Strikturen mit Rezidivraten über 80 %.
Ballon-Harnröhrendilatation:
Für die Ballon-Harnröhrendilatation werden spezielle Harnröhrenkatheter mit langen Ballonabschnitten verwendet, welche unter radiologische Kontrolle mit hohem Druck auf 24 CH Außendurchmesser für mehrere Minuten aufgeblasen werden. Der Eingriff ist ohne Narkose möglich. Das Ziel ist die Dilatation der Striktur ohne den erneuten Reiz einer Narbenbildung. Die Ballon-Harnröhrendilatation kann epitheliale Strikturen heilen, Strikturen mit ausgeprägter Spongiofibrose werden rezidivieren, vergleichbar wie die Ergebnisse der Urethrotomie (Liao u.a., 2020).
End-zu-End Anastomose der Harnröhre:
Mittel der Wahl für die definitive Versorgung von kurzstreckigen Harnröhrenstrikturen bis 2 cm, wenn eine initiale Urethrotomia interna rezidiviert.
Technik:
nach Identifikation und Mobilisation der Striktur wird diese exzidiert. Beide Urethraenden müssen frei von narbigen Anteilen sein und locker aneinander approximiert werden können. Je näher sich die Striktur an der membranösen Harnröhre befindet, desto länger kann die Striktur für eine erfolgreiche Anastomose sein (bis 5 cm wurden berichtet). Darstellung der Techniken und Komplikationen siehe Kapitel Operationstechniken/Offene Harnröhrenplastik – End-zu-End-Anastomose.
Ergebnisse:
Heilungsraten von 80–95 %. Faktoren für eine erfolgreiche Operation sind eine kurze Striktur, kein Rezidiveingriff und eine bulbäre Lokalisation.
Plastische Korrektur von Meatusstenosen:
Technik:
nach longitudinaler Inzision der Striktur wird der Defekt mit einem gestielten Penishautlappen gedeckt. Alternativ wird Mundschleimhaut verwendet. Die zweite Schicht der Neoharnröhre wird durch den Hautverschluss erreicht. Bei ausschließlich distalen Meatusstenosen ohne Beteiligung der Fossa navicularis genügen longitudinale Inzisionen und eine transversale Naht, diese können ventral und dorsal kombiniert werden.
Ergebnisse:
bei Balanitis xerotica obliterans sind Rezidive bei Hautlappen häufig, bessere Ergebnisse werden mit Mundschleimhaut berichtet.
Einzeitige offene Harnröhrenplastik mit Gewebetransfer:
Technik:
Nach Exzision der Striktur wird die Harnröhre durch einen Gewebetransfer verschlossen. Bei Onlay-Techniken bleibt ein Teil der strikturierten Harnröhre stehen. Das Lumen wird durch einen Gewebetransfer vergrößert, es kann dorsal, lateral oder ventral platziert werden. Nach kompletter Entfernung der Harnröhre muss ein tubularisierter Gewebetransfer konstruiert werden. Tendenziell weisen tubuläre Harnröhrenersatzoperationen eine höhere Komplikationsrate auf. Darstellung der Techniken und Komplikationen siehe Kapitel Operationstechniken/Offene Harnröhrenplastik – einzeitige Techniken mit Gewebetransfer.
Ergebnisse:
Gute Ergebnisse mit langfristigen Heilungsraten von 75–90 % werden für kurzstreckige gestielte Onlay-Plastiken berichtet. Längerstreckige freie Onlayplastiken oder längerstreckige tubuläre gestielte Harnröhrenplastiken, insbesondere bei der Verwendung von Penis- oder Skrotalhaut, haben eine höhere Komplikationsrate. Hauptkomplikationen sind eine erneute Striktur, Fistelbildung, Harnröhrendivertikel und Impotenz.
Zweizeitige offene Harnröhrenplastik:
Technik:
longitudinale Spaltung der Harnröhre über die komplette Länge der Striktur, danach Deckung des Gewebedefektes mit Spalthaut. Der Patient miktioniert über die perineale Urethraöffnung. Das Transplantat muss über mehrere Monate einheilen, dann ist die zweite Sitzung möglich. Dazu wird die eingeheilte Spalthaut beidseits der alten Harnröhre longitudinal inzidiert und eine Neoharnröhre geformt. Diese wird über einen Katheter longitudinal vernäht. Die Neourethra wird, falls möglich, vor dem Hautverschluss mit einem Dartoslappen gedeckt. Technik und Komplikationen siehe Kapitel Operationsverfahren/Offene Harnröhrenplastik – zweizeitige Technik.
Ergebnisse:
Das sicherste Verfahren, wenn längerstreckige Harnröhrenabschnitte entfernt werden müssen. Langfristige Heilungsraten um 80 %, wobei Rezidivstrikturen noch über 10 Jahre nach der Operation auftreten können.
Experimentelle Therapieverfahren:
Transurethrale Stenteinlage nach Urethrotomia interna:
z. B. Urolume. Teilweise gute Langzeitergebnisse. Keine kontrollierten Studien. Möglich ist auch die Einlage eines abbaubaren Polyglactin-Stents nach Urethrotomia interna.
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Literatur Harnröhrenstriktur
Barbagli u.a. 2003 BARBAGLI, G. ; PALMINTERI, E. ; LAZZERI, M. ; GUAZZONI, G.: Anterior urethral strictures.In: BJU Int
92 (2003), Nr. 5, S. 497–505
Gozzi, C.; Tritschler, S.; Bastian, P. J. & Stief, C. G. [Management of urethral strictures].
Urologe A, 2008, 47, 1615-1622
Peterson und Webster 2004 PETERSON, A. C. ;
WEBSTER, G. D.:
Management of urethral stricture disease: developing options for
surgical intervention.
In: BJU Int
94 (2004), Nr. 7, S. 971–6
Stack und Schlossberg 1998 STACK, R. S. ;
SCHLOSSBERG, S. M.:
Prinzipien der Behandlung von Harnröhrenstrikturen.
In: Urologe A
37 (1998), S. 10–20