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Tumornephrektomie: radikale Nephrektomie mit Fettkapsel und Lymphknoten
Indikation zur Tumornephrektomie
Goldstandard für die Therapie des großen Nierenzellkarzinoms ist die radikale Tumornephrektomie, wenn eine organerhaltende Therapie nicht möglich ist. Es wird die tumortragende Niere samt Fettkapsel und regionären Lymphknoten entfernt. Der transperitoneale Zugang ermöglicht die frühe Kontrolle der Nierengefäße, propagiert durch Robson u.a., 1969. Der Vorteil des transperitonealen Zugangs wurde nie prospektiv untersucht und wird von vielen Autoren in der klinischen Bedeutung angezweifelt Mickisch (2002). Weitere etablierte Operationszugänge für die radikale Nephrektomie sind der lumbale Flankenschnitt, der thorakoabdominale Zugang, die Laparoskopie oder die Retroperitoneoskopie, je nach Größe und Lokalisation des Tumors.
Kontraindikationen
Gerinnungsstörungen. Die weiteren Kontraindikationen sind abhängig von den Grunderkrankungen (Operationsrisiko), der Nierenfunktion der Gegenseite (Niereninsuffizienz) und der Bedeutung der Nephrektomie für die Lebenserwartung des Patienten. Keine Durchführung der Tumornephrektomie wenn eine organerhaltenden Teilnephrektomie möglich ist, insbesondere bei Einzelnieren, Niereninsuffizienz, bei beidseitigem oder hereditärem Nierenzellkarzinom.
Technik der Tumornephrektomie
Patientenvorbereitung:
perioperative Antibiotikaprophylaxe bei Risikofaktoren für eine Wundinfektion. Perioperativer Dauerkatheter. Perioperative Magensonde. Periduralanästhesie wenn möglich und gewünscht.
Transperitonealer Zugang:
Rückenlagerung des Patienten mit leichter Überstreckung der lumbalen Wirbelsäule. Rippenbogenrandschnitt. Durchtrennung des Lig. teres hepatis. Inzision der laterokolischen Rinne, das Kolon wird von der Niere nach medial abgeschoben. Auf der linken Seite Lösung der peritonealen Verbindung zwischen Milz und Bauchwand. Auf der rechten Seite wird das Duodenum von der V. cava nach medial präpariert.
Flankenschnitt:
Flankenlagerung des Patienten. schräger interkostaler Flankenschnitt zwischen 11. und 12. Rippe unter Schonung des N. subcostalis. Eröffnung der Fascia renalis. Stumpfe Präparation der Schicht zwischen Capsula adiposa und M. psoas. Abschieben des Peritoneums von der Capsula adiposa, oft kann so die Nierenvene gleich dargestellt werden.
Hiluspräparation:
- Aufsuchung des Harnleiters und Durchtrennung im Bereich der Kreuzung mit den Iliakalgefäßen. Von dort wird entlang der Vena cava (rechts) oder Aorta (links) nach kranial der Nierenhilus aufgesucht.
- Linksseitig ist die Durchtrennung der V. testicularis/ovarica unterhalb des Unterpols der Niere notwendig, auf der rechten Seite kann das Gefäß geschont werden oder wird nahe der Vena cava zwischen Ligaturen durchtrennt.
- Die Hilusgefäße werden identifiziert und präpariert, sichtbare Lymphknoten werden entfernt und separat zur histologischen Untersuchung gesendet. Die Nierenarterie wird mit einer Klemme umfahren und ligiert, um den renalen Blutfluss zu stoppen.
- Nun kann die Vena renalis zwischen Overholtklemmen durchtrennt werden, nach zentral wird das Gefäß mit einer doppelten Ligatur (davon eine Durchstechungsligatur) versorgt.
- Nach Durchtrennung der Vena renalis entsteht nun eine gute Sicht auf die Nierenarterie, welche wie für die Vene beschrieben durchtrennt wird. Bei brüchigen Arterien mit Arteriosklerose ist die Verwendung von 2–3 Clips eine gute Wahl.
Oberpolpräparation:
Die Nephrektomie beinhaltet die Entfernung der Nierenfettkapsel. Die Schicht zwischen Nebenniere und Fettkapsel wird scharf durchtrennt und die Nebenniere in situ belassen. Die ipsilaterale Adrenalektomie ist selten notwendig bei Oberpoltumoren mit fraglicher Infiltration der Nebenniere oder bei Nebennierenmetastasen in der Bildgebung.
Tumorthromben:
Zunächst muss die Niere komplett mobilisiert werden, die Nierenarterie sollte zwischen Ligaturen durchtrennt werden. Kleinere Tumorthromben mit nur geringer Ausdehnung in die Vena cava bedürfen außer der Ausklemmung der Nierenvenenmündung mit der Satinsky-Klemme keiner besonderen Maßnahmen. Der Venendefekt wird dann fortlaufend übernäht.
Infrahepatische Tumorthromben:
proximal und distal der Nierenvenenmündung wird die V. cava inferior mobilisiert und angezügelt. Die kontralaterale Nierenvene wird ebenfalls mit einem Tourniquet oder einer Klemme versorgt. Nach Klemmung der distalen und proximalen V. cava kann die V. cava eröffnet werden und der Tumorthrombus extrahiert werden. Der Defekt der Vena cava wird nach der Nephrektomie zweireihig übernäht. Ein adhärenter Tumorthrombus muss mit Venenwand reseziert werden und eine Rekonstruktion der Vena cava ist notwendig.
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Hepatische und thorakale Tumorthromben:
Intrahepatische Cavazapfen können durch Abklemmung der V. cava kranial der Leber und der kurzfristigen Klemmung der Leberpforte entfernt werden. Ein thorakoabdominaler Zugang ist notwendig. Erstreckt sich die Zapfenspitze bis in den Vorhof, dann ist der Einsatz der Herzlungenmaschine unumgänglich. Die Operation sollte je nach Ausdehung des Tumorthrombus in Kooperation mit Viszeral- oder Herzchirurgen durchgeführt werden.
Regionäre Lymphadenektomie:
Bei Tumoren mit T1–2 cN0 sollte keine Lymphadenektomie durchgeführt werden, da in einer großen EORTC-Studie kein Überlebensvorteil demonstriert werden konnte (Blom u.a., 1999 und 2009). Manche Autoren befürworten aufgrund retrospektiver Daten eine ausführliche Lymphadenektomie vom Zwerchfellursprung bis zum Abgang der A. mesenterica inf. bei fortgeschrittenen Tumoren oder vergrößerten Lymphknoten. Bei linksseitigen Tumoren werden die paraaortalen Lymphknoten entfernt, bei rechtsseitigen Tumoren werden die parakavalen Lymphknoten entfernt und unabhängig von der Seite sollen die interaortokavalen Lymphknoten entfernt werden (Capitanio u.a., 2011).
Drainagen:
die Drainierung der Nierenloge für 1–2 Tage wird häufig durchgeführt, ist jedoch nach einer unkomplizierten Tumornephrektomie wahrscheinlich nicht notwendig.
Nachsorge nach Tumornephrektomie
Allgemeine Maßnahmen:
frühzeitige Mobilisation. Atemtherapie. Thromboseprophylaxe. Laborkontrollen (Hb, Kreatinin). Wundkontrollen. Tumornachsorge.
Analgesie:
idealerweise über einen Periduralkatheter. Zusätzlich Schmerztherapie mit einer Kombination aus Nichtopioid und Opioid.
Kostaufbau:
Entfernung der Magensonde nach der Operation. Schluckweise Tee und klare Brühe am ersten postoperativen Tag, dann Kostaufbau.
Komplikationen
In der Tab. 1.1 werden vergleichend die Komplikationen zwischen Tumornephrektomie und Nierenteilresektion für cT1--2 Tumoren aus randomisierten und retrospektiven Studien dargestellt.
Komplikationen | Tumornephrektomie | Nierenteilresektion |
Schwere Blutungen | 1,1 % | 3,4 % |
Blutverlust <0,5 l | 96 % | 87 % |
Urinom | 0 % | 4 % |
Reintervention | 2,4 % | 4,4 % |
Mortalität | 2 % | 1,6 % |
Blutungsrisiko:
das Risiko eines signifikanten Blutverlusts über 1 l beträgt bei der einfachen Tumornephrektomie unter 5%, steigt aber bei Risikofaktoren wie Veneninvasion auf bis zu 35 % deutlich an.
Nachbarorganverletzung:
Leberrisse, Milzverletzung (Splenektomie), paralytischer Ileus, Darmverletzung, Peritonitis, Pankreasschwanzverletzung mit Ausbildung einer Pankreasfistel, Pneumothorax bei lumbalem oder thorakoabdominalem Zugang, Chylusfistel durch Verletzung von intestinalen Lymphgefäßen.
Allgemeine Komplikationen:
Wundinfektion, Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Thrombose, Lungenembolie, Atelektasen, Pneumonie, akutes Nierenversagen.
Mortalität:
durch Blutungen, Infektionen, Arrhythmien, akutes Nierenversagen, Lungenembolie in 2 %.
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Literatur Tumornephrektomie
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Robson u.a. 2002 ROBSON, C. J. ; CHURCHILL,
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English Version: Radical nephrectomy