Dr. med. Dirk Manski

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Zystektomie: Operationstechnik der Harnblasenentfernung

Definition und Indikationen zur Zystektomie

Radikale Zystektomie:

Die radikale Zystektomie ist die Entfernung der Harnblase mit Sicherheitsabstand und Durchführung einer pelvinen Lymphadenektomie. Beim Mann wird bei der Zystektomie zusätzlich die Prostata und Samenblasen, bei der Frau ein Teil der Scheidenvorderwand, Uterus und fakultativ die Adnexen entfernt. Indikationen zur radikalen Zystektomie sind:

Einfache Zystektomie:

Die einfache Zystektomie ist die Entfernung der Harnblase ohne Sicherheitsabstand und ohne Entfernung der pelvinen Lymphknoten. Beim Mann kann wie bei der Adenomektomie die Prostatakapsel belassen werden, dies führt zu sehr guten Kontinenz- und Potenzergebnissen bei orthotoper Harnableitung. Bei der Frau können die inneren Geschlechtsorgane geschont werden. Indikationen zur einfachen Zystektomie sind:

Kontraindikationen zur Zystektomie

Keine Zystektomie bei unbehandelten Gerinnungsstörungen. Weitere Kontraindikationen sind abhängig von den Grunderkrankungen (Operationsrisiko) und der Bedeutung der Zystektomie für die Lebenserwartung und Lebensqualität des Patienten.

Patientenvorbereitung vor Zystektomie:

Zystektomie: Technik beim Mann

Operativer Zugang für die Zystektomie:

Mediane Unterbauchlaparotomie von der Symphyse bis zum Umbilicus, der optional linksseitig umschnitten wird. Das Spatium retzii wird stumpf entwickelt. Eröffnung der Peritonealhöhle im Bereich des Nabels, Darstellung des Urachus und Durchtrennung. Nach kaudal wird das Peritoneum beidseits der Harnblase durchtrennt. Untersuchung der Bauchhöhle auf Metastasen. Rechtsseitige laterokolische Inzision und Umschneidung des Caecums, das nach kranial mobilisiert wird. Darstellung des rechten Ureters. Linksseitige laterokolische Inzision und Präparation des Sigmas, Darstellung des linken Ureters. Einsetzen eines Retraktionssystems, dabei wird das Darmpaket mit feuchten Bauchtüchern in den Oberbauch verdrängt.

Pelvine Lymphadenektomie im Rahmen der Zystektomie:

Nach Inzision des parietalen Peritoneums über der A. iliaca externa und Durchtrennung beider Vasa deferentia wird eine ausgedehnte pelvine Lymphadenektomie beidseits durchgeführt. Dissektionsgrenzen sind lateral der N. genitofemoralis, kaudal der Ramus superior des Os pubis, medial das Lig. umbilicale und die Harnblase, in der Tiefe der N. obturatorius und die Beckenwand, kranial der Ureter und die Gabelung der A. iliaca communis. Die Iliakalgefäße werden zirkulär vom umgebenden Gewebe befreit. Dabei werden die A. vesicalis sup. und die A. umbilicalis als erste Abgänge von der A. iliaca interna durchtrennt und ligiert. Eine sorgfältige Präparationstechnik mit bipolarer Koagulation, Applikation von Ligaturclips und dünnen Ligaturen reduziert die Komplikationsrate durch Lymphozelen.

Bei der extendierten Lymphadenektomie werden zusätzlich die Lymphknoten entlang der Vasa iliaca communis bis zur Aorta entfernt. Daten von retrospektiven Studien spekulierten auf ein besseres tumorfreies Überleben durch eine extendierte Lymphadenektomie, jedoch waren diese Studien durch statistische Mängel (Will-Rogers-Phänomen) nicht beurteilbar. Eine prospektiv randomisierte Studie fand kein besseres Überleben durch eine extendierte Lymphadenektomie (Gschwend u.a., 2019), weitere Studien (S-1011) werden erwartet.

Harnleiterpräparation:

Die Harnleiter werden nahe der Harnblase abgetrennt und der distale Anteil zur Schnellschnittuntersuchung eingesendet. Die Schienung mit einer MJ-Harnleiterschiene erlaubt eine atraumatische Behandlung der Ureteren im weiteren Verlauf. Die Ureteren werden so wenig als möglich freipräpariert und nach kranial mobilisiert, damit deren Blutversorgung erhalten bleibt (Cave: Ureterstriktur im Verlauf).

Durchtrennung der Harnblasenpfeiler:

Die Harnblase wird mit einer Organfasszange gegriffen und nach kaudal gezogen. Die Peritonealumschlagsfalte zwischen Harnblase und Rektum wird am tiefsten Punkt über die gesamte Breite inzidiert, die Schicht zwischen Rektum und Harnblase in der Mittellinie stumpf entwickelt. Mit der linken Hand kann nun die Harnblase nach kaudal gezogen werden, dabei spannt sich der Harnblasenpfeiler mit der Gefäßversorgung an. Der Harnblasenpfeiler wird zwischen Zeigefinger und Mittelfinger der linken Hand gefasst. Schrittweise wird der rechte und linke Harnblasenpfeiler zwischen Clips oder Overholt-Klemmen durchtrennt. Bei einer nervenschonenden Zystektomie muss die Dissektionslinie nahe an der Harnblase liegen. Beide Samenblasen werden nach Durchtrennung der Denonvillierschen Faszie freigelegt und die Schicht zwischen Rektum und Prostata stumpf entwickelt.

Aszendierende Präparation der Prostata:

Die Prostata (und Harnblase) wird mit einem Retraktor nach dorso-kranial verlagert. Die Prostatavorderfläche wird von Fettgewebe befreit und dabei störende oberflächliche Venen koaguliert und durchtrennt. Beidseitige Inzision der endopelvinen Faszie und des Ligamentum puboprostaticum, nun kann der Apex der Prostata mit einem Präpariertupfer stumpf freigelegt werden.

Durchtrennung des Venenplexus Santorini:

Mit einer Babcock-Klemme wird der Venenplexus über dem Apex der Prostata gefasst und mit einer Durchstechungsligatur versorgt. Analoges Vorgehen für den Venenplexus auf der Prostata gegen die Rückblutung. Der Venenplexus wird schrittweise bis auf die Urethra durchtrennt, blutende Gefäße werden bipolar koaguliert oder übernäht.

Schonung der Nervi cavernosi:

Die der Prostata aufliegende Faszie wird basal beginnend durchtrennt, um das Nervenbündel nach lateral zu isolieren. Mit dem Overholt wird diese Präparationsschicht bis zum Apex verfolgt, vor Durchtrennung der Faszie werden Clips zur Blutstillung verwendet. Nachdem das Nervenbündel nach lateral separiert wurde, wird die Harnröhre mit einer rechtwinkligen Klemme unterfahren. Direkt am Apex der Prostata wird eine Ligatur um die Harnröhre geknotet, um die Aussaat von Tumorzellen nach der Durchtrennung zu verhindern.

Durchtrennung der Harnröhre:

Durchtrennung des ventralen Anteils der Harnröhre, sodass der Katheter gut sichtbar ist. Ein Stück Urethra kann für eine Schnellschnittuntersuchung entfernt und eingesendet werden. Bei geplanter orthotoper Harnableitung werden bei 9, 11, 1 und 3 Uhr Anastomosennähte vorgelegt (doppelt armierter Faden wie z.B. PDS 2-0 oder Vicryl 2-0 mit 5/8-Nadel). Nach dem Abklemmen des Harnblasenkatheters in der eröffneten Harnröhre wird das Ventilstück abgetrennt und der Katheter ins Becken gezogen. Er dient bei erhaltener Blockung als Mobilisationshilfe für die Prostata. Durchtrennung der dorsalen Urethra, danach werden zwei Anastomosennähte bei 5 und 7 Uhr vorgelegt. Die dorsalen Anastomosenfäden können zusätzlich durch den dorsalen externen Sphinkter geführt werden, dies soll die Frühkontinenz und Dichtigkeit der Anastomose verbessern (Rocco u.a., 2009).

Prostatapräparation:

Die Schicht zwischen Rektum und Prostata wird nun dargestellt und stumpf (mit dem Finger oder Präpariertupfer) nach basal verfolgt. Das Gefäßnervenbündel wird dabei mit dem Overholt von der Prostata abgeschoben, Gefäße zur Prostata werden zwischen Clips durchtrennt.

Präparation der Samenblasen:

Das Rektum wird von der Prostata bis zu den Samenblasen abgelöst, was meist stumpf gelingt. Gefäße zu den Samenblasen werden zwischen Clips durchtrennt. Bei Nervenschonung ist es wichtig, eng an den Samenblasen und der Harnblase zu bleiben. Es ist sehr wichtig, eine Kontamination der Beckenhöhle mit Urin (und Tumorzellen) während der Dissektion und der Entnahme des Organpräparates zu vermeiden. Nach der Zystektomie ist eine sorgfältige Spülung und Blutstillung wichtig, während der Harnableitung wird die Beckenhöhle mit feuchten Bauchtüchern austamponiert.

Technik der Zystektomie bei der Frau

Patientenvorbereitung, Antibiotikaprophylaxe, Lagerung und operativer Zugang siehe oben (Dhar u.a., 2007, Nagele u.a., 2006)

Pelvine Lymphadenektomie im Rahmen der Zystektomie:

Zunächst Durchtrennung beider Ligg. teres uteri , dies ermöglicht den breiten Zugang zur Region der Lymphadenektomie. Bei jungen Frauen werden die Adnexe geschont. Die Technik der Lymphadenektomie ist mit der des Mannes vergleichbar.

Durchtrennung der Harnblasenpfeiler:

Der Uterus oder die Harnblase werden mit einer Organfasszange gefasst und nach kaudal gezogen. Die Peritonealumschlagsfalte zwischen Uterus und Rektum wird am tiefsten Punkt über die gesamte Breite inzidiert, das Rektum wird in der Mittellinie stumpf von der Vagina abgedrängt. Mit der linken Hand kann nun das Organpaket nach kaudal gezogen werden, dabei spannt sich der Harnblasenpfeiler mit der Gefäßversorgung an. Der Harnblasenpfeiler wird zwischen Zeigefinger und Mittelfinger der linken Hand gefasst. Schrittweise werden der rechte und linke Harnblasenpfeiler zwischen Clips und Overholt-Klemmen durchtrennt, bei einer nervenschonenden Zystektomie muss die Dissektionslinie nahe an der Harnblase liegen. Nach Durchtrennung des Lig. cardinale mit der Gefäßversorgung des Uterus kann die Seitenfläche der Vagina dargestellt werden. Ein mit einer Klemme gefasster Tupfer in der Vagina hilft bei der Identifikation des hinteren Fornix, wo die Vagina quer eröffnet wird. Die Eröffnung der Vagina wird nahe an der vorderen Mittellinie Richtung Harnröhre erweitert.

Vagina-erhaltende Zystektomie:

Die Vagina-erhaltende Zystektomie ist bei ausgewählten Patienten möglich: kein Tumor am Blasenhals oder in der Harnröhre und keine Anzeichen einer Infiltration der vorderen Scheidenwand und der Parametrien. Die Harnblase wird dabei von der Vaginavorderwand abpräpariert (aszendierende und deszendierende Präparation nach Durchtrennung der Harnröhre).

Uterus-erhaltende Zystektomie:

Die Uterus-erhaltende Zystektomie ist bei ausgewählten Patienten möglich: kein Tumor am Blasenhals oder in der Harnröhre und keine Anzeichen einer Infiltration der vorderen Scheidenwand und der Parametrien. Die Zystektomie beginnt mit der Inzision der Peritonealfalte zwischen Harnblase und Uterus. Bei der Durchtrennung der Harnblasenpedikel müssen die Uterusgefäße geschont werden. Die Harnblase wird von der Vaginavorderwand abpräpariert (aszendierende und deszendierende Präparation nach Durchtrennung der Harnröhre).

Präparation der Harnröhre:

Die Harnblase wird nach kranial luxiert, die Vorderfläche von Fettgewebe befreit und dabei störende oberflächliche Venen ligiert. Beidseitige Inzision der endopelvinen Faszie und des Ligamentum pubovesicale. Der dorsale Venenplexus wird mit einer rechtwinkligen Klemme präpariert, mit einer Babcock-Klemme gefasst und ligiert. Der Venenplexus wird bis auf die Urethra durchtrennt, blutende Gefäße werden fortlaufend übernäht. Die Zirkumferenz der Harnröhre wird (zwischen Harnblasenhals und Sphinkter) mit einer rechtwinkligen Klemme mobilisiert und eine kräftige Ligatur (USP 1–2) vorgelegt. Die Ligatur wird am Harnblasenhals geknotet, um ein Austreten von Urin bei der weiteren Präparation zu verhindern.

Urethrektomie bei heterotoper Harnableitung:

Unter Zug an der Harnblase wird die Urethra bis zum Meatus präpariert und dort zirkulär die Haut umschnitten. Der Katheter wird ins Becken gezogen und dient bei erhaltener Blockung als Mobilisationshilfe. Der Damm (Harnröhrenmündung) wird nach Entfernung des Organpaketes verschlossen.

Erhalt der Urethra für eine orthotope Harnableitung:

Durchtrennung des ventralen Anteils der proximalen Harnröhre und Vorlage von 4 ventralen und seitlichen Anastomosennähten (doppelt armierter Faden wie z.B. PDS 2-0 oder Vicryl 2-0 mit 5/8-Nadel). Der Harnblasenkatheter wird in der eröffneten Harnröhre geklemmt und das Ventilstück abgetrennt. Der Katheter wird ins Becken gezogen und dient bei erhaltener Blockung als Mobilisationshilfe. Ein Stück Urethra wird für die Schnellschnittuntersuchung eingesendet. Vorlage von zwei dorsalen Anastomosennähten und Durchtrennung der dorsalen Urethra.

Entnahme des Organs:

Das Organpaket ist jetzt nur noch an der Vagina befestigt. Entlang der Vaginavorderwand wird die Harnblase von der Vagina abpräpariert. Alternativ kann die Zystektomie mit sparsamer Entfernung der Vaginalvorderwand durchgeführt werden. Bei geplanter orthotoper Harnableitung ist keine oder nur wenig von der Vaginalvorderwand zu entfernen, da lateral der Vagina wichtige Nerven für den Sphinkter verlaufen. Die Vaginalvorderwand wird fortlaufend einschichtig verschlossen. Der transversale Verschluss der Vagina vermeidet eine Verengung. Eine jodierte Tamponade wird für einen Tag in der Vagina belassen.

Harnableitung und Nachsorge nach Zystektomie:

die verschiedenen Techniken der Harnableitung werden im Kapitel Harnableitung dargestellt.

Nachsorge

Siehe Kapitel Harnableitung.

Komplikationen der Zystektomie

Komplikationen treten in 25–35 % der Fälle auf, die Mortalität liegt bei 1–3 % (Chang u.a., 2001) (Chang u.a., 2002). Die postoperative Komplikationsrate wird maßgeblich vom Alter und den vorhandenen Komorbiditäten beeinflusst, zu diesen zählen unter anderem kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen, abdominale Voroperationen, lokal fortgeschrittene Tumorstadien sowie eine Adipositas (DGU, 2016). Es ist umstritten, ob minimal-invasive Operationstechniken die Komplikationsrate senken können. Die Mortalität ist zwischen offen-chirurgischer und roboter-assistierter laparoskopischer Zystektomie vergleichbar (Johar u.a., 2013).

Kardiopulmonale Komplikationen nach Zystektomie:

Atelektase, Pneumonie, Thrombose, Lungenembolie, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz.

Gastrointestinale Komplikationen:

Paralytischer Ileus, mechanischer Ileus, Anastomoseninsuffizienz, Peritonitis, intraabdomineller Abszess, Rektumverletzung mit Fistelung.

Blutungen:

Hoher Blutverlust möglich, Nachblutung, operative Revision, Transfusionen, Hämatome.

Weitere Komplikationen der Zystektomie:

Wundinfektion, erektile Dysfunktion, sexuelle Dysfunktion bei der Frau wie Dyspareunie, Lymphozelen, Bein- und Genitalödeme durch gestörten Lymphabfluss.

Komplikationen der Harnableitung:

Siehe Kapitel Harnableitung.








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Literatur

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